0.152.191.011
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1875 Nr. 1 ausgegeben am 14. April 1875
Liechtensteinisch - Schweizerischer
Niederlassungsvertrag
Wir Johann II. souverainer Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein usw. usw.
erteilen mit Zustimmung Unseres Landtages dem nachstehenden Niederlassungs-Vertrage, welcher zwischen Unserem Bevollmächtigten und jenem der schweizerischen Eidgenossenschaft am 6. Juli 1874 zu Wien abgeschlossen wurde und wörtlich wie folgt lautet:
Seine Durchlaucht der regierende Fürst Johann von und zu Liechtenstein einerseits und die schweizerische Eidgenossenschaft andererseits sind in der Absicht, die Bedingungen für die Niederlassung der Angehörigen des Fürstentums Liechtenstein in der Schweiz und der Angehörigen der Schweiz im Fürstentum Liechtenstein im gegenseitigen Einverständnisse zu regeln, übereingekommen, zu diesem Zwecke einen Vertrag abzuschliessen und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich:
Seine Durchlaucht der regierende Fürst Johann von und zu Liechtenstein, Seinen Referenten in Justizangelegenheiten, den Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Hermann Hampe und der schweizerische Bundesrat, Seinen ausserordentlichen Gesandten und Bevollmächtigten Minister am k. und k. Hofe in Wien Dr. Johann Jakob von Tschudi, welche nach Austausch ihrer in gehöriger Form befundenen Vollmachten sich vorbehaltlich der beiderseitigen Ratifikation über folgende Artikel geeinigt haben:
Art. I
1) Das Fürstentum Liechtenstein gewährt den Angehörigen der Schweiz unter den im Art. II angeführten Bedingungen das Recht, sich im Fürstentum Liechtenstein zeitweilig aufzuhalten oder dauernd niederzulassen, Grundeigentum zu erwerben oder zu veräussern, auch jedes Gewerbe, dessen Ausübung überhaupt gestattet ist, auf eigene Rechnung zu betreiben oder betreiben zu lassen ohne zu dem Eintritte in den Staats- oder Gemeindeverband genötiget und ohne anderen, als den für die Angehörigen des Fürstentums Liechtenstein geltenden Lasten unterworfen zu sein.
2) Anderseits gewährt die Schweiz den Angehörigen des Fürstentums Liechtenstein unter den nämlichen Bedingungen das Recht, sich in der Schweiz zeitweilig aufzuhalten oder dauernd niederzulassen, Grundeigentum zu erwerben oder zu veräussern, auch jedes Gewerbe, dessen Ausübung überhaupt gestattet ist, auf eigene Rechnung zu betreiben oder betreiben zu lassen, ohne zu dem Eintritte in den Staats- oder Gemeindeverband genötiget und ohne andern als den für die Angehörigen der Schweiz geltenden Lasten unterworfen zu sein.
Art. II
Zur Erlangung des Niederlassungsrechtes sind beiderseits erforderlich:
Die Hinterlegung eines Heimatscheines oder einer andern gleichbedeutenden Ausweisschrift und eines Zeugnisses, wodurch von den zuständigen Heimatsbehörden des Nachsuchenden bescheinigt wird, dass derselbe eines guten Leumundes geniesse und die Mittel zu seiner und seiner Familie Erhaltung besitze.
Art. III
Jeder der vertragenden Teile verpflichtet sich, seine Angehörigen, wenn ihnen im andern vertragenden Teile das Niederlassungsrecht entzogen wird, wieder zu übernehmen, wenn dieselben nicht in einem andern Staate ein Bürgerrecht erworben und aus ihrem Heimatstaate in gehöriger Form entlassen wurden.
Art. IV
Die beiderseitigen Angehörigen bleiben hinsichtlich der Militärpflicht den Gesetzen des Heimatstaates unterworfen. In dem Staate der Niederlassung sind sie von allen hierauf bezüglichen Leistungen befreit.
Art. V
Die liechtensteinischen Eigentümer oder Bebauer von Grundstücken in der Schweiz, und umgekehrt die schweizerischen Eigentümer oder Bebauer von Grundstücken im Fürstentum Liechtenstein geniessen in Bezug auf die Bewirtschaftung ihrer erworbenen oder benützten Güter die nämlichen Vorteile wie die am gleichen Orte wohnenden Inländer, sind jedoch den nämlichen Lasten und Steuern ihrer Liegenschaften, wie die Landesangehörigen unterworfen und haben sich wie diese den geltenden Verwaltungs- oder Polizeiverordnungen zu unterziehen.
Art. VI
1) Der gegenwärtige Vertrag soll einen Monat nach dem Austausche der Ratifikations-Urkunden in Kraft treten und während eines Zeitraumes von zehn Jahren in Kraft bleiben. Im Falle keiner der vertragenden Teile zwölf Monate vor dem Ablaufe des gedachten Zeitraumes seine Absicht, die Wirksamkeit des Vertrages aufhören zu lassen, kundgegeben haben wird, so bleibt derselbe in Geltung bis zum Ablaufe eines Jahres von dem Tage ab, an welchem der eine oder andere der vertragenden Teile denselben gekündigt haben wird.
2) Die Ratifikations-Urkunden über den gegenwärtigen Vertrag sollen sobald als möglich nach beiderseits erfolgter Ratifikation ausgetauscht werden.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.
So geschehen zu Wien, am 6. Juli 1874.
(L. S.) Dr. Hampe m.p.
(L. S.) Tschudi m.p.
Unsere Genehmigung.
Urkund dessen haben Wir gegenwärtige Urkunde eigenhändig unterzeichnet und Unser Fürstl. Insiegel beidrücken lassen.
So geschehen zu Schloss Feldsberg den 22. September 1874.
(L. S.) gez. Johann Fürst zu Liechtenstein m.p.

gez. Karl von Hausen m.p.

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