210.0 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 1997 |
Nr. 154 |
ausgegeben am 27. August 1997 |
Gesetz
vom 19. Juni 1997
über die Abänderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (Arbeitsvertragsrecht)
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
Abänderung bisherigen Rechts
§ 1173a des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vom 1. Juni 1811, im Fürstentum Liechtenstein eingeführt aufgrund der Fürstlichen Verordnung vom 18. Februar 1812, in der Fassung des Gesetzes vom 13. Dezember 1973, LGBl. 1974 Nr. 18, des Gesetzes vom 25. November 1981, LGBl. 1982 Nr. 10, des Gesetzes vom 16. Juni 1992, LGBl. 1992 Nr. 83, und des Gesetzes vom 9. Dezember 1992, LGBl. 1993 Nr. 47, wird wie folgt abgeändert:
Art. 27 Abs. 3, 4, 5 und 6
3) Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis von mindestens einem Monat Dauer oder in einem Teilzeitarbeitsverhältnis von mindestens acht Stunden Dauer pro Woche stehen, sind vom Arbeitgeber innert zwei Monaten nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses über die für dieses geltenden Bedingungen zu unterrichten; endet das Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf von zwei Monaten nach seiner Aufnahme, hat die Unterrichtung vor diesem Zeitpunkt zu erfolgen. Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse, die aufgrund ihrer Dauer oder Natur oder aufgrund anderer, für das Arbeitsverhältnis geltender besonderer Bedingungen keine Unterrichtung des Arbeitnehmers erfordern, wie insbesondere im Falle unregelmässiger Arbeitsverhältnisse oder im Falle von Gelegenheitsarbeiten. Die Unterrichtung des Arbeitnehmers erfolgt durch die Aushändigung eines Arbeitsvertrages oder eines Schriftstückes, das die Unterrichtung des Arbeitnehmers auf eine gleichwertige Art und Weise wie ein Arbeitsvertrag gewährleistet und erstreckt sich insbesondere auf eine Mitteilung:
a) der Personalien, des Sitzes oder des Wohnsitzes des Arbeitgebers;
b) des Zeitpunkts des Arbeitsbeginns, bei befristeten Arbeitsverträgen der Dauer des Vertrages, der täglichen oder wöchentlichen Arbeits- und Ruhezeiten, des Arbeitsplatzes sowie der Arbeitsleistung. In die Mitteilung der Arbeitsleistung miteingeschlossen ist eine Mitteilung der dem Arbeitnehmer bei Arbeitsbeginn zugewiesenen Amts- oder Funktionsbezeichnung sowie eine Mitteilung seines Dienstgrades;
c) der Dauer von Freizeit und Ferien;
d) der Kündigungsfristen oder des Verfahrens zu ihrer Festsetzung;
e) der für das Arbeitsverhältnis allenfalls geltenden Gesamtarbeits- oder Normalarbeitsverträge;
f) des Arbeitslohnes (Geld- und Naturallohn), der Zulagen, Gratifikationen und Spesen, falls solche zusätzlichen Lohnbestandteile vereinbart wurden, und der Voraussetzungen für ihre Auszahlung.
4) Arbeitnehmer, die an einen Arbeitsort in einem anderen Staat entsandt werden, sind, sofern ihr Arbeitsverhältnis nach liechtensteinischen Rechtsvorschriften zu beurteilen ist und eine Dauer von mindestens einem Monat übersteigt, vor ihrer Entsendung vom Arbeitgeber zusätzlich über folgende Bedingungen schriftlich zu unterrichten:
a) über die Arbeitsdauer im anderen Staat;
b) über die Währung, in der der Lohn entrichtet wird;
c) über die mit der Entsendung in einen anderen Staat gegebenenfalls verbundenen Vorteile in Geld oder Naturalien;
d) über die Bedingungen der Rückführung.
5) In den Fällen von Abs. 3 und 4 ist der Arbeitnehmer über Änderungen der für sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen vom Arbeitgeber innert eines Monats schriftlich zu unterrichten.
6) In den Fällen von Abs. 3 Bst. b, c und d kann die Pflicht zur schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch einen Hinweis auf die für das Arbeitsverhältnis geltenden Gesamt- und Normalarbeitsverträge erfüllt werden. In diesen Fällen entfällt die Pflicht zur schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers über Änderungen gemäss Abs. 5.
3) Die Ferien dürfen vom Arbeitgeber auch nicht gekürzt werden, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft und Niederkunft bis zu fünf Monaten an der Arbeitsleistung verhindert ist.
Art. 43 Sachüberschriften, Abs. 1, 1a, 1b und 1c
F. Übergang des Arbeitsverhältnisses
I. Wirkungen
1) Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil durch Vertrag oder Verschmelzung über, so geht auch das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten vom Veräusserer auf den Erwerber über, sofern der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Kein Übergang erfolgt in bezug auf Rechte, die dem Arbeitnehmer auf Leistungen betrieblicher oder ausserbetrieblicher Sozialversicherungseinrichtungen ausserhalb des gesetzlichen Obligatoriums zustehen.
1a) Der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteiles bildet keinen Grund für eine Kündigung durch den Veräusserer oder Erwerber. Vorbehalten bleiben wirtschaftliche, technische oder organisatorische Gründe, die Änderungen im Beschäftigungsbereich mit sich bringen.
1b) Ist es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekommen, weil der Übergang eine wesentliche Änderung der für dieses geltenden Bedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers zur Folge hat, wird eine Kündigung durch den Arbeitgeber vermutet.
1c) Ist auf das Arbeitsverhältnis ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar, muss ihn der Erwerber unter Vorbehalt einer vorzeitigen Beendigung oder einer Kündigung während eines Jahres einhalten.
II. Unterrichtung und Anhörung
1) Wird ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil übertragen, ist die Arbeitnehmervertretung über den Übergang zu unterrichten und anzuhören. Die Unterrichtung hat vor jenem Zeitpunkt zu erfolgen, in dem die Arbeitnehmer vom Übergang unmittelbar betroffen werden. Ausgenommen sind Unternehmen, Betriebe oder Betriebsteile, in denen die Arbeitnehmer nach Massgabe der Gesetzgebung über die Information und Mitsprache in den Betrieben keinen Anspruch auf die Bestellung einer Vertretung haben.
2) Im Zuge der Unterrichtung und Anhörung gemäss Abs. 1 ist der Arbeitnehmervertretung schriftlich mitzuteilen:
a) der Grund des Übergangs;
b) die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer.
3) Sind Massnahmen in bezug auf die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer geplant, so ist die Arbeitnehmervertretung über diese rechtzeitig zu unterrichten und anzuhören, um, wenn möglich, zu einer Übereinkunft zu kommen.
c) unter Missachtung der Unterrichtungs-, Anhörungs- und Anzeigepflichten im Sinne der Art. 43a, 59b und 59c.
3) Ist die Kündigung nach Art. 46 Abs. 2 Bst. c missbräuchlich, so darf die Entschädigung nicht mehr als den Lohn des Arbeitnehmers für zwei Monate betragen.
Sachüberschrift vor Art. 59a
Va. Massenentlassungen
1. Begriffe und Geltungsbereich
1) Als Massenentlassung gelten Kündigungen,
a) die der Arbeitgeber in einem Betrieb aus einem oder mehreren Gründen plant, die in keinem Zusammenhang mit der Person der Arbeitnehmer stehen, und
b) von denen, ungeachtet der Betriebsgrösse, innert 90 Tagen mindestens 20 Arbeitnehmer betroffen sind.
2) Einer Kündigung im Sinne von Abs. 1 sind andere Arten einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichgestellt, die
a) aus einem oder mehreren Gründen, die in keinem Zusammenhang mit der Person der Arbeitnehmer stehen, geplant werden,
b) auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgen, und
c) von denen mindestens fünf Arbeitnehmer betroffen sind.
Solche Entlassungen werden bei der Berechnung der Mindestzahl nach Abs. 1 Bst. b mitgerechnet.
3) Die Art. 59b bis 59c gelten auch:
a) in Fällen einer vorzeitigen Beendigung befristeter Arbeitsverhältnisse;
b) in Fällen, in denen die Entscheidung über die geplante Massenentlassung von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wird.
4) Das Recht zur fristlosen Entlassung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei der Berechnung der Mindestzahl nach Abs. 1 nicht mitgerechnet.
2. Unterrichtung und Anhörung
1) Um der Arbeitnehmervertretung die Gelegenheit zu Gegenvorschlägen zu geben und um, wenn möglich, zu einer Übereinkunft über:
a) die Möglichkeit, geplante Massenentlassungen zu vermeiden oder ihre Zahl zu verringern;
b) die Möglichkeit, die Folgen geplanter Massenentlassungen durch Massnahmen wie Umschulungen zu mildern,
zu kommen, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig zu unterrichten und anzuhören. Sachverständige können sowohl vom Arbeitgeber als auch von der Arbeitnehmervertretung beigezogen werden.
2) Im Zuge der Unterrichtung und Anhörung im Sinne von Abs. 1 hat der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung rechtzeitig alle zweckdienlichen Angaben zu machen. Er hat der Arbeitnehmervertretung insbesondere schriftlich mitzuteilen:
a) die Gründe der geplanten Massenentlassung;
b) die Zahl und die Kategorien der betroffenen Arbeitnehmer und die Gründe für ihre Auswahl;
c) die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer;
d) den Zeitraum der geplanten Massenentlassungen;
e) das Verfahren der Festsetzung von Abfindungen (Sozialplan).
3. Mitwirkung des Amtes für Volkswirtschaft
1) Der Arbeitgeber hat dem Amt für Volkswirtschaft eine geplante Massenentlassung anzuzeigen und eine Mitteilung über das Ergebnis der Unterrichtung und Anhörung im Sinne von Art. 59b zuzustellen. Diese Anzeige hat alle Angaben im Sinne von Art. 59b Abs. 2 sowie alle sonstigen zweckdienlichen Angaben über die geplante Massenentlassung zu enthalten. Eine Abschrift der Anzeige wird der Arbeitnehmervertretung zugestellt.
2) Geplante Massenentlassungen werden, unter Vorbehalt anderslautender vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen, frühestens 30 Tage nach Eingang der Anzeige im Sinne von Abs. 1 wirksam. Besteht ein berechtigtes Interesse und die Aussicht auf eine Milderung der Folgen der geplanten Massenentlassung, kann das Amt für Volkswirtschaft diese Frist auf 60 Tage erstrecken. Es unterrichtet die Arbeitnehmervertretung über die Fristerstreckung.
3) Das Amt für Volkswirtschaft sucht innert der Frist im Sinne von Abs. 2 nach Möglichkeiten, die Folgen der geplanten Massenentlassung zu mildern. Es kann den Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertretung beiziehen.
Aufgehoben
Besteht aufgrund von Art. 27 Abs. 3 eine Pflicht zur Unterrichtung über die für das Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, ist diese Pflicht auf Antrag des Arbeitnehmers innerhalb von zwei Monaten nach dem Eingang dieses Antrages zu erfüllen, sofern das Arbeitsverhältnis beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestanden hat.
Dieses Gesetz tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.
gez. Hans-Adam
gez. Dr. Mario Frick
Fürstlicher Regierungschef