822.11
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2006 Nr. 39 ausgegeben am 15. Februar 2006
Gesetz
vom 14. Dezember 2005
betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz; MWG)
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
I.
Abänderung bisherigen Rechts
Das Gesetz vom 23. Oktober 1997 über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz; MWG), LGBl. 1997 Nr. 211, wird wie folgt abgeändert:
Titel
Gesetz über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerschaft in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz; MWG)
Art. 1
Gegenstand, Begriffe und Bezeichnungen
1) Dieses Gesetz regelt die Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft in Betrieben.
2) Die Arbeitnehmerschaft im Sinne dieses Gesetzes umfasst die Voll- und Teilzeitbeschäftigten sowie die unbefristet und befristet beschäftigten Arbeitnehmer.
3) Unter den in diesem Gesetz verwendeten Personen- und Funktionsbezeichnungen sind Angehörige des weiblichen und männlichen Geschlechts zu verstehen.
Art. 2
Geltungsbereich
1) Dieses Gesetz findet auf Betriebe in Liechtenstein Anwendung, die ständig Arbeitnehmer beschäftigen.
2) Es findet keine Anwendung auf die Landesverwaltung und die Gemeindeverwaltung sowie weitere Betriebe und Betriebsbereiche, welche der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben dienen.
Art. 2a
Abweichungen
1) Zugunsten der Arbeitnehmerschaft darf von diesem Gesetz abgewichen werden.
2) Zu Ungunsten der Arbeitnehmerschaft darf von den Art. 3, 3a, 4, 6, 6a, 7, 7a, 8, 10 und 11 Abs. 2 Bst. b nicht und von den übrigen Bestimmungen nur durch Gesamtarbeitsverträge abgewichen werden.
Art. 3
Anspruch auf Vertretung
1) Die Arbeitnehmerschaft hat Anspruch auf eine Vertretung aus ihrer Mitte:
a) in Betrieben (Unternehmen) mit mindestens 50 Beschäftigten;
b) in Betrieben, die einem Unternehmen zuzurechnen und gleichzeitig eigenständige Steuersubjekte sind (Unternehmensteile), mit mindestens 20 Beschäftigten.
2) Für die Ermittlung der nach Abs. 1 zu berücksichtigenden Beschäftigtenzahl ist die Anzahl der im Durchschnitt während der letzten zwei Jahre beschäftigten Arbeitnehmer massgebend.
Art. 3a
Mitwirkung ohne Arbeitnehmervertretung
1) In Betrieben, die den Schwellenwert nach Art. 3 Abs. 1 erreichen, bei denen jedoch keine Arbeitnehmervertretung bestellt wird, stehen die Mitwirkungsrechte nach Art. 6a ff. der Arbeitnehmerschaft direkt zu.
2) In Betrieben, die den Schwellenwert nach Art. 3 Abs. 1 nicht erreichen, stehen die Mitwirkungsrechte nach Art. 7 Abs. 1 Bst. a und b und Art. 8 der Arbeitnehmerschaft direkt zu.
Überschrift vor Art. 6a
III. Mitwirkungsrechte
Art. 6a
Unterrichtungs- und Anhörungsrechte
1) Die Mitwirkung der Arbeitnehmervertretung umfasst das Recht auf Unterrichtung und Anhörung.
2) Unterrichtung ist die Weitergabe von Informationen vom Arbeitgeber an die Arbeitnehmervertretung.
3) Anhörung ist die Einrichtung eines Dialogs und Meinungsaustausches zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung. Im Rahmen der Anhörung hat die Arbeitnehmervertretung insbesondere das Recht, eine Stellungnahme einzubringen, die vom Arbeitgeber entsprechend zu würdigen ist.
4) Der Arbeitgeber hat Zeitpunkt, Form und Inhalt der Unterrichtung so zu gestalten, dass die Arbeitnehmervertretung die Informationen angemessen prüfen und sich gegebenenfalls auf die Anhörung vorbereiten kann.
Art. 7
Unterrichtung und Anhörung
1) Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung zu unterrichten:
a) über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis eine Voraussetzung für die ordnungsgemässe Erfüllung ihrer Aufgaben ist;
b) mindestens einmal jährlich über die wirtschaftliche Situation des Betriebes und deren voraussichtliche Weiterentwicklung;
c) über die Beschäftigungslage und ihre voraussichtliche Entwicklung sowie gegebenenfalls geplante antizipative Massnahmen, insbesondere bei Bedrohung der Beschäftigung;
d) über grundlegende Änderungen in der Arbeitsorganisation, insbesondere bei Änderungen von bestehenden Arbeitsverträgen.
2) Die Arbeitnehmervertretung hat in den Fällen von Abs. 1 Bst. c und d das Recht auf Anhörung.
3) Vorbehalten bleiben die besonderen Mitwirkungsrechte nach Art. 8.
Art. 7a
Ausnahmen
1) In begründeten Fällen kann der Arbeitgeber von der Unterrichtung und Anhörung gemäss Art. 7 Abs. 1 und 2 der Arbeitnehmervertretung oder Arbeitnehmerschaft absehen.
2) Begründete Fälle nach Abs. 1 liegen vor, wenn:
a) die Unterrichtung oder Anhörung nach objektiven Kriterien die Tätigkeit des Betriebs erheblich beeinträchtigen oder dem Betrieb schaden könnte;
b) betriebliche Änderungen, welche der Arbeitgeber vornimmt, auf die Anordnung einer Kontroll- oder Aufsichtsbehörde zurückzuführen sind.
Art. 11 Abs. 3
3) Die Arbeitnehmerschaft von Betrieben ohne Arbeitnehmervertretung, der gestützt auf Art. 3a die Mitwirkungsrechte direkt zustehen, sowie betriebsfremde Personen, die nach Abs. 1 informiert werden dürfen, sind ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das gleiche gilt für Beschäftigte, die von der Arbeitnehmervertretung nach Art. 6 Abs. 2 über ihre Tätigkeit unterrichtet worden sind.
Art. 12
1) Über Streitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz oder einer vertraglichen Mitwirkungsordnung ergeben, entscheidet, unter Vorbehalt vertraglicher Schlichtungs- und Schiedsstellen, das Landgericht. § 1173a Art. 71 Abs. 1 bis 3 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches findet entsprechend Anwendung.
2) Zur Klage oder zum Antrag berechtigt sind:
a) die Arbeitnehmerschaft;
b) die Arbeitnehmervertretung;
c) der Arbeitgeber;
d) der Liechtensteinische ArbeitnehmerInnenverband. Für diesen gilt der Anspruch nur auf Feststellung.
II.
Umsetzung von EWR-Rechtsvorschriften
Dieses Gesetz dient der Umsetzung:
a) der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (EWR-Rechtssammlung: Anh. XVIII - 32f.01); und
b) des § 7 der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (EWR-Rechtssammlung: Anh. XVIII - 32.02).
III.
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.

In Stellvertretung des Landesfürsten:

gez. Alois

Erbprinz

gez. Otmar Hasler

Fürstlicher Regierungschef