105.21
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2006 Nr. 287 ausgegeben am 22. Dezember 2006
Verordnung
vom 19. Dezember 2006
über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsverordnung; BGlV)
Aufgrund von Art. 11 Abs. 1, Art. 31 Abs. 2 und Art. 35 des Gesetzes vom 25. Oktober 2006 über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz; BGlG), LGBl. 2006 Nr. 243, verordnet die Regierung:
I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Gegenstand
Diese Verordnung enthält Bestimmungen über:
a) die Barrierefreiheit von öffentlich zugänglichen Bauten und Anlagen;
b) die Anpassbarkeit von Wohnanlagen und geförderten Wohnbauten;
c) die Barrierefreiheit von öffentlichen Verkehrswegen und -anlagen sowie öffentlichen Verkehrssystemen;
d) besondere Massnahmen des Gemeinwesens;
e) die antrags- und beschwerdeberechtigten Behindertenorganisationen.
Art. 2
Bezeichnungen
Unter den in dieser Verordnung verwendeten Personen- und Funktionsbezeichnungen sind Angehörige des weiblichen und männlichen Geschlechts zu verstehen.
II. Bauten und Anlagen
Art. 3
Öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen
Die Barrierefreiheit von öffentlich zugänglichen Bauten und Anlagen (Art. 12 BGlG) liegt vor, wenn:
a) die Bestimmungen der Norm SN 521 500/1988 "Behindertengerechtes Bauen"1, in der jeweils geltenden Fassung, eingehalten sind;
b) bei Sonderbauten, wie insbesondere Akutspitäler, Altersheime, Rehabiliationszentren, Sonderschulen, Behindertenheime hinsichtlich der Rollstuhlgängigkeit zusätzlich die Bestimmungen des Merkblattes 7/95 vom 1. September 2005 der Schweizerischen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen2, in der jeweils geltenden Fassung, eingehalten sind.
Art. 4
Wohnanlagen und geförderte Wohnbauten
Die Anpassbarkeit von Wohnanlagen (Art. 13 BGlG) und geförderten Wohnbauten (Art. 14 BGlG) liegt vor, wenn:
a) keine Stufen und keine Schwellen oder Absätze vorhanden sind; kann auf Schwellen oder Absätze nicht verzichtet werden (z.B. bei Wohnungseingangs- oder Balkontüren), darf die Höhe nicht mehr als 2.5 cm betragen;
b) Rampen eine Steigung von maximal 6% aufweisen;
c) Korridore mindestens 1.20 m breit sind;
d) Türen mindestens 0.80 m breit sind (lichte Durchgangsbreite);
e) Treppen mindestens 1.20 m, solche innerhalb einer Wohnung oder eines Hauses mindestens 1.0 m breit sind;
f) Küchen und Bäder/WC eine ausreichende Bewegungsfläche aufweisen, die mindestens 1.40 m x 1.40 m beträgt.
III. Öffentliche Verkehrswege und -anlagen sowie öffentliche Verkehrssysteme
Art. 5
Öffentliche Verkehrswege und -anlagen
1) Die Barrierefreiheit von öffentlichen Verkehrswegen und -anlagen liegt vor, wenn die Bestimmungen der Richtlinien "Behindertengerechte Fusswegnetze" der Schweizerischen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen vom Mai 20033, in der jeweils geltenden Fassung, eingehalten sind.
2) Bei Vorliegen besonderer Umstände, insbesondere bei schwierigen topografischen Verhältnissen oder aus technischen Gründen, kann bei öffentlichen Verkehrswegen und -anlagen nach Anhörung des Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen oder der von der Regierung beauftragten Organisation (Art. 22 Abs. 1 BGlG) vom Erfordernis der Barrierefreiheit abgesehen werden.
Art. 6
Öffentliche Verkehrssysteme
Die Barrierefreiheit von öffentliche Verkehrssystemen liegt vor, wenn die Bestimmungen der Richtlinien "Behindertengerechte Fusswegnetze" der Schweizerischen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen vom Mai 20034, in der jeweils geltenden Fassung, eingehalten sind. Die Verkehrs- und Betriebssicherheit darf dadurch nicht beeinträchtigt werden.
IV. Beteiligung von Behindertenorganisationen in Baubewilligungsverfahren
Art. 7
Stellungnahme zu Baugesuchen
1) Die zuständige Gemeindebehörde übermittelt Baugesuche nach Massgabe von Art. 12 Abs. 4 des Gesetzes den in Art. 10 genannten Behindertenorganisationen zur Stellungnahme.
2) Die Frist für die Abgabe der Stellungnahme beträgt vier Wochen ab Zustellung des Baugesuchs.
V. Besondere Massnahmen des Gemeinwesens
Art. 8
Besondere Vorkehren für sprach-, hör- oder sehbehinderte Menschen
Das Gemeinwesen trifft auf Verlangen einer sprach-, hör- oder sehbehinderten Person die nötigen Vorkehren, damit diese die zuständigen Vertreter der Behörden aufsuchen und mit ihnen kommunizieren kann. Diese Vorkehren sind innert einer Frist zu treffen, die der Dringlichkeit und den Umständen Rechnung trägt.
Art. 9
Dienstleistungen im Internet
Dienstleistungen des Gemeinwesens im Internet müssen für sprach-, hör- und sehbehinderte Menschen zugänglich sein. Zu diesem Zweck müssen die Internetangebote entsprechend den internationalen Informatikstandards, insbesondere den Richtlinien des World Wide Web Konsortiums (W3C) über den Zugang von Internetseiten5, und subsidiär entsprechend den nationalen Informatikstandards eingerichtet sein.
VI. Antrags- und beschwerdeberechtigte Behindertenorganisationen
Art. 10
Liechtensteiner Behinderten-Verband
Antrags- und beschwerdeberechtigte Behindertenorganisation im Sinne von Art. 31 Abs. 1 des Gesetzes ist der Liechtensteiner Behinderten-Verband (LBV).
VII. Schlussbestimmung
Art. 11
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2007 in Kraft.

Fürstliche Regierung:

gez. Otmar Hasler

Fürstlicher Regierungschef

1   Diese Norm kann beim Hochbauamt eingesehen und bezogen werden.

2   Dieses Merkblatt kann beim Hochbauamt eingesehen und bezogen werden.

3   Diese Richtlinien können beim Tiefbauamt eingesehen und bezogen werden.

4   Diese Richtlinien können beim Tiefbauamt eingesehen und bezogen werden.

5   Diese Richtlinien können beim Liechtensteiner Behinderten-Verband (LBV), Landstr. 121, 9495 Triesen, eingesehen und bezogen werden.