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Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2022 Nr. 115 ausgegeben am 25. April 2022
Gesetz
vom 11. März 2022
über die Abänderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:1
I.
Abänderung bisherigen Rechts
Das Gesetz vom 22. Oktober 1992 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), LGBl. 1992 Nr. 121, in der geltenden Fassung, wird wie folgt abgeändert:
Art. 1 Abs. 2 und 3
2) Es dient zudem der Umsetzung bzw. Durchführung folgender EWR-Rechtsvorschriften:
a) Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern2;
b) Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung3;
c) Verordnung (EU) 2018/302 über Massnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts4.
3) Die gültige Fassung der EWR-Rechtsvorschriften, auf die in diesem Gesetz Bezug genommen wird, ergibt sich aus der Kundmachung der Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nach Art. 3 Bst. k des Kundmachungsgesetzes.
Art. 1a Abs. 1 Bst. n bis q und Abs. 2
1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet:
n) "Geschäftsgeheimnis": eine Information, die:
1. geheim ist, weil sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen zu tun haben, allgemein bekannt noch ohne weiteres zugänglich ist;
2. von kommerziellem Wert ist, weil sie geheim ist; und
3. Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmassnahmen durch die Person ist, welche die rechtmässige Verfügungsgewalt über diese Informationen ausübt;
o) "Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses": jede natürliche oder juristische Person, welche die rechtmässige Verfügungsgewalt über ein Geschäftsgeheimnis besitzt;
p) "Rechtsverletzer": jede natürliche oder juristische Person, die rechtswidrig Geschäftsgeheimnisse erwirbt, nutzt oder offenlegt;
q) "rechtsverletzende Produkte": Produkte, deren Konzeption, Merkmale, Funktionsweise, Herstellungsprozess oder Marketing in erheblichem Umfang auf rechtswidrig erworbenen, genutzten oder offengelegten Geschäftsgeheimnissen beruhen.
2) Im Übrigen finden die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG sowie der Verordnung (EU) 2018/302 ergänzend Anwendung.
Art. 2 Abs. 4
4) Vorbehalten bleiben die Sonderbestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bei rechtswidrigem Erwerb, rechtswidriger Nutzung oder rechtswidriger Offenlegung.
Art. 4 Einleitungssatz und Bst. c
Unlauter handelt insbesondere, wer:
c) Arbeitnehmer, Beauftragte oder andere Hilfspersonen zum Verrat oder zur Auskundschaftung von Geschäftsgeheimnissen ihres Arbeitgebers oder Auftraggebers verleitet;
Art. 6
Aufgehoben
Art. 10 Abs. 3
3) Liegt der Ursprung des Verstosses in den Fällen irreführender Werbung nach Art. 3 in Liechtenstein, so kann der Anspruch auf Unterlassung auch von jeder nach Art. 3 der Richtlinie 2009/22/EG5 qualifizierten Einrichtung eines anderen EWR-Mitgliedstaats geltend gemacht werden, sofern die von dieser Einrichtung geschützten Interessen in diesen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden.
Art. 12 Abs. 3
3) Bevor eine vorsorgliche Massnahme verfügt wird, ist die Gegenpartei anzuhören. Ist Gefahr im Verzug, so kann schon vorher eine vorsorgliche Massnahme erlassen werden.
Überschrift vor Art. 16
D. Sonderbestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Art. 16
Anwendungsbereich
1) Die Bestimmungen dieses Abschnitts enthalten zivil- und prozessrechtliche Sonderbestimmungen für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
2) Folgende Vorschriften bleiben von den Bestimmungen dieses Abschnitts unberührt:
a) Vorschriften, nach denen die Inhaber von Geschäftsgeheimnissen verpflichtet sind, aus Gründen des öffentlichen Interesses Informationen, auch Geschäftsgeheimnisse, gegenüber der Öffentlichkeit, den Behörden oder den Gerichten offenzulegen, damit diese ihre Aufgaben wahrnehmen können;
b) Vorschriften, die den Organen und Einrichtungen des Europäischen Wirtschaftsraums oder den inländischen Behörden vorschreiben oder gestatten, von Unternehmen vorgelegte Informationen offenzulegen, über die diese Organe, Einrichtungen oder Behörden in Einhaltung der Pflichten und nach den Rechten, die im EWR-Recht oder im inländischen Recht niedergelegt sind, verfügen;
c) Vorschriften über Sozialpartner und ihr Recht, Gesamtarbeitsverträge einzugehen.
3) Soweit in diesem Abschnitt nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird, finden die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes sinngemäss Anwendung.
Art. 16a
Rechtswidriger Erwerb, rechtswidrige Nutzung und rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen
1) Der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses ist rechtswidrig, wenn er erfolgt durch:
a) unbefugten Zugang zu, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die der rechtmässigen Verfügungsgewalt durch den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses unterliegen und die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt;
b) jedes sonstige Verhalten, das unter den jeweiligen Umständen mit einer seriösen Geschäftspraktik nicht vereinbar ist.
2) Die Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist rechtswidrig, wenn sie durch eine Person erfolgt, die:
a) das Geschäftsgeheimnis auf rechtswidrige Weise erworben hat; oder
b) gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder eine vertragliche oder sonstige Verpflichtung, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen oder nur beschränkt zu nutzen, verstösst.
3) Der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist weiters rechtswidrig, wenn eine Person zum Zeitpunkt des Erwerbs, der Nutzung oder der Offenlegung wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass ihr das Geschäftsgeheimnis unmittelbar oder mittelbar über eine andere Person, die dieses rechtswidrig im Sinne des Abs. 2 genutzt oder offengelegt hat, bekannt geworden ist.
4) Das Herstellen, Anbieten oder Inverkehrbringen von rechtsverletzenden Produkten oder die Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr oder Lagerung von rechtsverletzenden Produkten für diese Zwecke ist ebenfalls eine rechtswidrige Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses, wenn die Person, die diese Tätigkeiten durchführt, wusste oder unter den gegebenen Umständen hätte wissen müssen, dass das Geschäftsgeheimnis rechtswidrig im Sinne des Abs. 2 genutzt oder offengelegt wurde.
Art. 16b
Rechtmässiger Erwerb, rechtmässige Nutzung und rechtmässige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sowie Ausnahmen
1) Mit Zustimmung des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses sind der Erwerb, die Nutzung und Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses rechtmässig.
2) Der Erwerb eines Geschäftsgeheimnisses ist rechtmässig, wenn das Geschäftsgeheimnis bekannt wird durch:
a) unabhängige Entdeckung oder Schöpfung;
b) Beobachtung, Untersuchung, Rückbau oder Testen eines Produkts oder Gegenstands, das bzw. der öffentlich verfügbar gemacht wurde oder sich im rechtmässigen Besitz des Erwerbers der Information befindet, der keiner rechtsgültigen Pflicht zur Beschränkung des Erwerbs des Geschäftsgeheimnisses unterliegt;
c) Inanspruchnahme des Rechts der Arbeitnehmer oder Arbeitnehmervertreter auf Information und Anhörung nach den bestehenden Vorschriften; oder
d) jede andere Vorgehensweise, die unter den gegebenen Umständen mit einer seriösen Geschäftspraxis vereinbar ist.
3) Der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist rechtmässig, wenn dies:
a) durch EWR-Rechtsvorschriften oder inländisches Recht vorgeschrieben oder erlaubt ist; oder
b) in einem der folgenden Fälle erfolgt:
1. zur Ausübung des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäusserung, einschliesslich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien;
2. zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung in Verbindung mit einem beruflichen Fehlverhalten oder einer illegalen Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Geschäftsgeheimnis, sofern die Person, welche das Geschäftsgeheimnis erwirbt, nutzt oder offenlegt, in der Absicht gehandelt hat, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen;
3. durch die Offenlegung von Arbeitnehmern gegenüber ihren Vertretern im Rahmen der rechtmässigen Erfüllung der Aufgaben dieser Vertreter nach den EWR-Rechtsvorschriften oder dem inländischen Recht, sofern die Offenlegung zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich war;
4. zum Schutz eines durch EWR-Rechtsvorschriften oder das inländische Recht anerkannten legitimen Interesses.
Art. 16c
Zivilrechtliche Ansprüche zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen; Verjährung
1) Wer Geschäftsgeheimnisse rechtswidrig erwirbt, nutzt oder offenlegt, kann auf Unterlassung, Beseitigung und bei Verschulden auf Schadenersatz nach Art. 9 Abs. 3 in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus kann der Geschädigte etwaige durch den Rechtsverletzer erzielte Gewinne aus dem rechtswidrigen Erwerb, der rechtswidrigen Nutzung oder rechtswidrigen Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses fordern. Zur Klage ist der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses berechtigt.
2) Unabhängig vom Nachweis der Höhe des Schadens kann der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses als Ersatz des ihm schuldhaft zugefügten Vermögensschadens das Entgelt begehren, das ihm im Falle seiner Einwilligung in den Erwerb, die Nutzung oder Offenlegung gebührt hätte.
3) Auf Antrag der Person, gegen die sich ein Unterlassungs- oder Beseitigungsbegehren nach Abs. 1 richtet, kann das Gericht dem Beklagten anstelle der Unterlassung oder Beseitigung die Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die Fortsetzung der rechtswidrigen Nutzung des Geschäftsgeheimnisses auftragen, wenn:
a) der Nutzer oder Offenleger erst nach Beginn der Nutzung oder Offenlegung Kenntnis von Tatsachen erlangt, aufgrund derer er wusste oder hätte wissen müssen, dass ihm das Geschäftsgeheimnis unmittelbar oder mittelbar über eine andere Person, die dieses rechtswidrig genutzt oder offengelegt hat, bekannt geworden ist;
b) dem Nutzer oder Offenleger durch die Unterlassung oder Beseitigung ein unverhältnismässig grosser Schaden entsteht; und
c) diese Entschädigung für den Kläger ein angemessener Ersatz für den Unterlassungsanspruch ist.
4) Ansprüche nach diesem Abschnitt verjähren in drei Jahren ab Kenntnis der Gesetzesverletzung und der Person des Rechtsverletzers, längstens aber nach sechs Jahren.
Art. 16d
Unterlassungsanspruch und dessen Erlöschen
1) Der Unterlassungsanspruch kann sich gegen die bereits erfolgte oder drohende rechtswidrige Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses durch dessen Erwerb, Nutzung oder Offenlegung richten. Er umfasst auch das Verbot des Herstellens, Anbietens, Vermarktens oder der Nutzung rechtsverletzender Produkte und das Verbot der Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr oder Lagerung rechtsverletzender Produkte für diese Zwecke.
2) Der Anspruch auf Unterlassung erlischt, sobald die betroffenen Informationen aus Gründen, die dem Rechtsverletzer nicht zuzurechnen sind, kein Geschäftsgeheimnis mehr darstellen.
Art. 16e
Beseitigungsanspruch
1) Im Rahmen des Beseitigungsanspruchs kann der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses verlangen, dass auf Kosten des Rechtsverletzers die rechtsverletzenden Produkte und Dokumente, Gegenstände, Materialien, Stoffe oder elektronischen Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder verkörpern, vernichtet werden. Er kann überdies verlangen:
a) den Rückruf der rechtsverletzenden Produkte vom Markt;
b) die Beseitigung der rechtsverletzenden Qualität der rechtsverletzenden Produkte; oder
c) die Marktrücknahme der rechtsverletzenden Produkte, sofern dadurch der Schutz des in Frage stehenden Geschäftsgeheimnisses nicht beeinträchtigt wird.
2) Enthalten die in Abs. 1 genannten Gegenstände Teile, deren unveränderter Bestand und deren Gebrauch das Geschäftsgeheimnis nicht verletzen, so hat das Gericht diese Teile in dem die Vernichtung aussprechenden Urteil zu bezeichnen. Bei der Vollstreckung sind diese Teile, soweit es möglich ist, von der Vernichtung auszunehmen, wenn der Verpflichtete die damit verbundenen Kosten im Voraus bezahlt.
3) Bei der Beurteilung eines Anspruchs nach Abs. 1 ist zu prüfen, ob die beantragten Massnahmen nach den besonderen Umständen des Falls verhältnismässig sind. Kann der gesetzeswidrige Zustand durch eine andere als die in Abs. 1 genannte, mit keiner oder einer geringeren Wertvernichtung verbundene Art beseitigt werden, so kann der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses nur Massnahmen dieser Art begehren.
4) Verlangt der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses nach Abs. 1, dass ihm die Dokumente, Gegenstände, Materialien, Stoffe oder elektronischen Dateien herausgegeben werden, kann das Gericht dem Rechtsverletzer auf Antrag des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses unter Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit nach den besonderen Umständen des Falls eine angemessene, die Herstellungskosten nicht übersteigende Vergütung zusprechen.
5) Der Beseitigungsanspruch richtet sich gegen den Rechtsverletzer, soweit ihm die Verfügung über die Gegenstände zusteht.
Art. 16f
Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren
1) Die Information, von welcher der Inhaber behauptet, dass sie ein Geschäftsgeheimnis sei, ist im Verfahren zunächst nur so weit offenzulegen, als es unumgänglich ist, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines Geschäftsgeheimnisses sowie seiner Verletzung glaubhaft darzulegen. In dem erstmals das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses behauptenden Schriftsatz ist es hinreichend, wenn das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses von der Partei vorgebracht wird und das Vorbringen zumindest soweit substanziiert ist, dass sich das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und der geltend gemachte Anspruch daraus schlüssig ableiten lassen.
2) Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts wegen Massnahmen zu treffen, dass der Verfahrensgegner und Dritte keine Informationen über das Geschäftsgeheimnis erhalten, welche über ihren bisherigen diesbezüglichen Wissensstand hinausgehen. Die allenfalls zu treffenden Massnahmen können auch umfassen, dass die Offenlegung des behaupteten Geschäftsgeheimnisses nur gegenüber einem vom Gericht bestellten Sachverständigen erfolgt. Der bestellte Sachverständige ist anzuweisen, dem Gericht eine Zusammenfassung vorzulegen, die keine vertraulichen Informationen über das Geschäftsgeheimnis enthält. Darüber hinaus hat er dem Gericht zur Beurteilung sämtliche Unterlagen, den Befund und das Gutachten zu den Geschäftsgeheimnissen vorzulegen und Geschäftsgeheimnisse als solche zu kennzeichnen. Diese Aktenbestandteile sind vom Recht auf Akteneinsicht ausgenommen. Das Gericht hat unbeschadet des Abs. 3 diese schriftlichen Aufzeichnungen über ein Geschäftsgeheimnis in einem gesonderten Aktenteil zu verwahren, der weder dem Verfahrensgegner noch Dritten zugänglich ist.
3) Auf begründeten Antrag einer Partei kann das Gericht die Offenlegung des behaupteten Geschäftsgeheimnisses im Verfahren auftragen, wenn die Kenntnis für die eigene Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Interesse eines fairen Verfahrens oder zur Durchsetzung legitimer Interessen dieser Partei erforderlich ist. Dabei ist insbesondere auch der mögliche Schaden zu berücksichtigen, der einer Partei und gegebenenfalls etwaigen Dritten durch die Gewährung oder Ablehnung dieser Offenlegung entsteht. Die Entscheidung, in der die Offenlegung angeordnet wird, kann von dem zur Offenlegung Verpflichteten angefochten werden.
4) Alle Personen, die ausschliesslich aufgrund der Teilnahme an dem Verfahren oder des Zugangs zu den Dokumenten von einem Geschäftsgeheimnis oder einem behaupteten Geschäftsgeheimnis Kenntnis erlangen, sind verpflichtet, das Geschäftsgeheimnis oder behauptete Geschäftsgeheimnis geheim zu halten. Dies gilt auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens. Die betroffenen Personen sind vom Gericht über die Verpflichtung zu belehren, dass das Geschäftsgeheimnis weder genutzt noch offengelegt werden darf. Das Gericht hat die Vornahme der Belehrung im Akt festzuhalten.
5) Die Verpflichtung zur Geheimhaltung nach Abs. 4 besteht auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens. Diese Verpflichtung endet jedoch, wenn durch rechtskräftige Entscheidung festgestellt wird:
a) dass kein Geschäftsgeheimnis vorliegt; oder
b) im Laufe der Zeit die in Frage stehenden Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit der betreffenden Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich werden.
Art. 16g
Ausschliessung der Öffentlichkeit der Verhandlung
Die Öffentlichkeit der Verhandlung über eine Anklage oder einen zivilrechtlichen Anspruch auf Grund dieses Abschnitts kann von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei ausgeschlossen werden, wenn dadurch ein Geschäftsgeheimnis gefährdet würde.
Art. 16h
Ausfertigung und Veröffentlichung des Urteils
1) Das Gericht hat von der schriftlichen Ausfertigung des Urteils auch eine Fassung herzustellen, in der die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Passagen gelöscht werden. Diese nicht vertrauliche Fassung ist als solche zu kennzeichnen und für Personenkreise ausserhalb des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses und des Gerichts zu verwenden sowie einer Veröffentlichung nach Art. 9 Abs. 2 zugrunde zu legen. Vorbehalten bleiben Abs. 2 und 3.
2) Auf Antrag der obsiegenden Partei kann das Gericht die vollständige oder teilweise Veröffentlichung des rechtskräftigen Urteils mit den die Geschäftsgeheimnisse enthaltenen Passagen (vertrauliche Fassung) oder Informationen hierüber auf Kosten des Rechtsverletzers anordnen. Form und Umfang der Veröffentlichung sind im Urteilsspruch zu bestimmen.
3) Bei der Entscheidung über die Urteilsveröffentlichung und deren Verhältnismässigkeit sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) der Wert des Geschäftsgeheimnisses;
b) das Verhalten des Rechtsverletzers bei Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses;
c) die Folgen der rechtswidrigen Nutzung oder rechtswidrigen Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses;
d) die Wahrscheinlichkeit einer weiteren rechtswidrigen Nutzung oder rechtswidrigen Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses durch den Rechtsverletzer; und
e) die möglichen Auswirkungen auf die privaten Interessen natürlicher Personen.
Art. 16i
Vorsorgliche Massnahme zur Sicherung vor Eingriffen in Geschäftsgeheimnisse
1) Der Anspruch auf Unterlassung des rechtswidrigen Erwerbs, der rechtswidrigen Nutzung oder der rechtswidrigen Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses kann mittels vorsorglicher Massnahme insbesondere durch folgende Mittel gesichert werden:
a) Anordnung der Einstellung oder Verbot der Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses;
b) Verbot des Herstellens, Anbietens, Vermarktens oder der Nutzung rechtsverletzender Produkte oder der Ausfuhr oder Lagerung rechtsverletzender Produkte für diese Zwecke;
c) Beschlagnahme oder Herausgabe der rechtsverletzenden Produkte, einschliesslich eingeführter Produkte, um deren Inverkehrbringen oder ihren Umlauf im Markt zu verhindern.
2) Sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, finden die Art. 274 bis 288 und 290 bis 293 der Exekutionsordnung entsprechend Anwendung. Die vorsorgliche Massnahme kann auch zur Sicherung von Beweismitteln erlassen werden. Art. 16f bis 16h finden sinngemäss Anwendung.
3) Der Vollzug einer vorsorglichen Massnahme ist auch dann zulässig, wenn seit deren Bewilligung mehr als ein Monat vergangen ist.
4) Das Gericht kann in den Fällen von Abs. 1 anstelle des Erlasses einer vorsorglichen Massnahmen die Fortsetzung der behaupteten rechtswidrigen Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses vom Erlag einer Sicherheit abhängig machen, welche die Entschädigung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses sicherstellen sollen. Die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses gegen die Stellung von Sicherheiten darf nicht erlaubt werden.
Art. 16k
Voraussetzungen für die Antragstellung einer vorsorglichen Massnahme sowie Sicherungsmittel
1) Der Antragsteller nach Art. 16i Abs. 1 hat glaubhaft zu machen, dass:
a) ein Geschäftsgeheimnis vorliegt;
b) er Inhaber dieses Geschäftsgeheimnisses ist;
c) das Geschäftsgeheimnis rechtswidrig erworben, genutzt oder offengelegt wurde oder eine solche Verletzung droht; und
d) ihm infolge dessen ein nicht leicht ersetzbarer Nachteil im Sinne von Art. 12 Abs. 2 droht.
2) Bei der Entscheidung über den Antrag und die Beurteilung der Verhältnismässigkeit ist den besonderen Umständen des Falls Rechnung zu tragen.
3) Die vorsorgliche Massnahme darf bei nicht ausreichender Bescheinigung des Anspruchs nicht gegen eine Sicherheitsleistung erlassen werden.
4) Die vorsorgliche Massnahme ist auf Antrag des Antragsgegners aufzuheben, wenn die in Frage stehenden Informationen aus Gründen, die dem Antragsgegner nicht zuzurechnen sind, nicht mehr die in Art. 1a Abs. 1 Bst. n genannten Kriterien erfüllen.
5) Wird eine vorsorgliche Massnahme nach Art. 16i auf der Grundlage von Art. 284 Abs. 4 der Exekutionsordnung aufgehoben oder aufgrund einer Handlung oder Unterlassung des Antragstellers hinfällig oder wird in der Folge festgestellt, dass das Geschäftsgeheimnis nicht rechtswidrig erworben, genutzt oder offengelegt wurde und eine solche Verletzung auch nicht drohte, hat das Gericht auf Antrag des Antragsgegners oder eines unmittelbar geschädigten Dritten anzuordnen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner oder dem geschädigten Dritten angemessenen Ersatz für den durch die vorsorgliche Massnahme entstandenen Schaden zu leisten hat.
Art. 22 Abs. 1
1) Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Art. 2, 3, 3a, 4, 5, 8b, 8c oder 8d begeht, wird auf Verlangen der nach Art. 9 und 10 zur Zivilklage Berechtigten vom Landgericht wegen Übertretung mit Busse bis zu 100 000 Franken, im Nichteinbringlichkeitsfalle mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten bestraft.
Art. 22a
Verletzung des Verbots von Geoblocking
1) Vom Landgericht wird wegen Übertretung mit Busse bis zu 100 000 Franken, im Nichteinbringlichkeitsfalle mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten bestraft, wer gegen die Verordnung (EU) 2018/302 verstösst, indem er vorsätzlich:
a) entgegen Art. 3 Abs. 1 einen Zugang zur Online-Benutzeroberfläche sperrt oder beschränkt;
b) entgegen Art. 3 Abs. 2 einen Kunden ohne dessen ausdrückliche Zustimmung zu einer dort genannten Version der Online-Benutzeroberfläche weiterleitet;
c) entgegen Art. 4 Abs. 1 unterschiedliche allgemeine Geschäftsbedingungen anwendet;
d) entgegen Art. 5 Abs. 1 unterschiedliche Bedingungen für einen Zahlungsvorgang anwendet.
2) Bei fahrlässiger Begehung wird die in Abs. 1 angeführte Strafobergrenze auf die Hälfte herabgesetzt.
Art. 24
Verletzung des Geschäftsgeheimnisses
1) Vom Landgericht wird wegen Vergehens mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft, wer vorsätzlich:
a) ein Geschäftsgeheimnis nach Art. 16a rechtswidrig erwirbt, nutzt oder offenlegt;
b) seine Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren nach Art. 16f verletzt.
2) Bei fahrlässiger Begehung wird die in Abs. 1 angeführte Strafobergrenze auf die Hälfte herabgesetzt.
Anhang Ziff. 26 und 29
26. Die Anwerbung von Kunden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien, es sei denn, ein solches Verhalten ist rechtlich zur Durchsetzung einer vertraglichen Verpflichtung gerechtfertigt. Dies gilt unbeschadet der Verordnung (EU) 2016/6796 und der Richtlinie 2002/58/EG7 sowie Art. 6 des Gesetzes über den strafrechtlichen Schutz des persönlichen Geheimbereichs.
29. Die Aufforderung an den Konsumenten zur sofortigen oder späteren Zahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Waren, Werken oder Leistungen, die der Anbieter ohne Veranlassung des Konsumenten geliefert hat (unbestellte Waren und Dienstleistungen).
II.
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt unter Vorbehalt des ungenutzten Ablaufs der Referendumsfrist am 1. Juni 2022 in Kraft, andernfalls am Tag nach der Kundmachung.

In Stellvertretung des Landesfürsten:

gez. Alois

Erbprinz

gez. Dr. Daniel Risch

Fürstlicher Regierungschef

1   Bericht und Antrag sowie Stellungnahme der Regierung Nr. 93/2021 und 7/2022

2   Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22)

3   Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1)

4   Verordnung (EU) 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2018 über Massnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2006/2004 und (EU) 2017/2394 sowie der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 60 I vom 2.3.2018, S. 1)

5   Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30)

6   Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1)

7   Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37)