0.152.38 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 1970 |
Nr. 31 |
ausgegeben am 16. Oktober 1970 |
Europäisches Übereinkommen
über die Abschaffung des Visumszwanges für Flüchtlinge
Abgeschlossen in Strassburg am 20. April 1959
Zustimmung des Landtags: 17. Oktober 1969
Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein: 28. November 1969
Die unterzeichneten Regierungen, Mitglieder des Europarates, in dem Wunsch, die Reisen der Flüchtlinge, die in ihrem Hoheitsgebiet wohnhaft sind, zu erleichtern,
haben folgendes vereinbart:
Art. 1
1) Die Flüchtlinge, die ordnungsgemäss im Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien wohnhaft sind, sind aufgrund dieses Übereinkommens und unter Vorbehalt der Gegenseitigkeit bei der Einreise in das Hoheitsgebiet anderer Vertragsparteien und bei der Ausreise aus diesem Gebiet über alle Grenzen von der Visumspflicht befreit, sofern
a) sie im Besitz eines gültigen Reiseausweises nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 oder dem Übereinkommen betreffend die Ausstellung eines Reiseausweises an Flüchtlinge vom 15. Oktober 1946 sind, der von den Behörden der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet sie ihren ordnungsgemässen Aufenthalt haben, ausgestellt ist;
b) ihr Aufenthalt nicht länger als drei Monate dauert.
2) Für jeden Aufenthalt von längerer Dauer als drei Monaten oder für jede Einreise in das Hoheitsgebiet einer andern Partei in der Absicht, dort eine Erwerbstätigkeit auszuüben, kann ein Visum verlangt werden.
Art. 2
Der Ausdruck "Hoheitsgebiet" einer Vertragspartei hat bezüglich dieses Übereinkommens die Bedeutung, die diese Partei ihm in einer an den Generalsekretär des Europarates gerichteten Erklärung gibt.
Art. 3
Soweit eine oder mehrere Vertragsparteien es für erforderlich halten, darf die Grenze nur an erlaubten Grenzübergangsstellen überschritten werden.
Art. 4
1) Die Bestimmungen dieses Übereinkommens berühren die Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Aufenthalt von Ausländern im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei nicht.
2) Jede Vertragspartei behält sich das Recht vor, Personen, die sie für unerwünscht hält, die Einreise in ihr Hoheitsgebiet oder den Aufenthalt daselbst zu verweigern.
Art. 5
Die Flüchtlinge, die sich aufgrund der Bestimmungen dieses Übereinkommens in das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei begeben haben, werden jederzeit wieder in das Hoheitsgebiet der Vertragspartei, deren Behörden ihnen einen Reiseausweis ausgestellt haben, auf einfaches Ersuchen der ersteren Vertragspartei übernommen, es sei denn, dass diese den Betreffenden die Bewilligung zum dauernden Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet erteilt hat.
Art. 6
Dieses Übereinkommen berührt nicht die Bestimmungen der geltenden oder zukünftigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, der zwei- oder mehrseitigen Verträge, Abkommen oder Übereinkommen, die den Flüchtlingen, die ordnungsgemäss im Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien wohnhaft sind, hinsichtlich des Grenzübertritts günstigere Bedingungen gewähren.
Art. 7
1) Jede Vertragspartei behält sich vor, dieses Übereinkommen, mit Ausnahme der Bestimmungen des Art. 5, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der Volksgesundheit gegenüber allen oder einzelnen Parteien nicht sofort anzuwenden oder seine Anwendung vorübergehend einzustellen. Diese Massnahme ist unverzüglich dem Generalsekretär des Europarates mitzuteilen. Das Gleiche gilt für die Wiederaufhebung einer solchen Massnahme.
2) Jede Vertragspartei, die von einer der in Abs. 1 vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch macht, kann die Anwendung dieses Übereinkommens durch eine andere Partei nur insoweit verlangen, als sie es selbst gegenüber dieser Partei anwendet.
Art. 8
Dieses Übereinkommen wird zur Unterzeichnung durch die Mitglieder des Europarates aufgelegt; sie können Vertragsparteien werden durch
a) Unterzeichnung ohne Vorbehalt der Ratifikation oder durch
b) Unterzeichnung unter Vorbehalt der Ratifikation mit nachfolgender Ratifikation.
Die Ratifikationsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarates hinterlegt.
Art. 9
1) Dieses Übereinkommen tritt einen Monat nach dem Tage in Kraft, an dem drei Mitglieder des Rates das Übereinkommen nach Art. 8 ohne Vorbehalt der Ratifikation unterzeichnet oder es ratifiziert haben.
2) Für jedes Mitglied, das das Übereinkommen später ohne Vorbehalt der Ratifikation unterzeichnet oder es ratifiziert, tritt das Übereinkommen einen Monat nach dem Tage der Unterzeichnung oder der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft.
Art. 10
Nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarates durch einstimmigen Beschluss jede Regierung eines Nichtmitgliedstaates, die Vertragspartei des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 oder des Übereinkommens betreffend die Ausstellung eines Reiseausweises an Flüchtlinge vom 15. Oktober 1946 ist, einladen, dem vorliegenden Übereinkommen beizutreten. Der Beitritt wird einen Monat nach dem Tage der Hinterlegung der Beitrittserklärung beim Generalsekretär des Europarates wirksam.
Art. 11
Der Generalsekretär des Europarates teilt den Mitgliedern des Rates und den beigetretenen Staaten mit:
a) alle Unterzeichnungen mit den allfälligen Ratifikationsvorbehalten, die Hinterlegung jeder Ratifikationsurkunde und den Tag des Inkrafttretens dieses Übereinkommens;
b) die Hinterlegung jeder Beitrittserklärung gemäss Art. 10;
c) jede gemäss Art. 2, 7 und 12 eingegangene Mitteilung oder Erklärung sowie den Zeitpunkt, in dem sie wirksam wird.
Art. 12
Jede Vertragspartei kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Mitteilung von diesem Übereinkommen zurücktreten.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 20. April 1959 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarates hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Rates übermittelt den unterzeichnenden Regierungen beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)
Erklärungen
Bundesrepublik Deutschland
Erklärung
Das Übereinkommen ist auch für das Land Berlin gültig.
Dänemark
Erklärung
Für Flüchtlinge, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, der nicht Vertragspartei des nordischen Übereinkommens vom 12. Juli 1957 über die Aufhebung der Passkontrolle an den gemeinsamen Grenzen ist, bezeichnet der Ausdruck "Hoheitsgebiet" im Zusammenhang mit dem Recht der Flüchtlinge, sich ohne Visum oder Aufenthaltsbewilligung in Dänemark aufzuhalten, das Hoheitsgebiet, auf das das nordische Übereinkommen Anwendung findet. Das nordische Übereinkommen erstreckt sich aufgrund seines Art. 14 seit dem 1. Januar 1961 auch auf die Faröer-Inseln.
Frankreich
Erklärung
Das Übereinkommen erstreckt sich auch auf Algerien und die Sahara.
Norwegen
Erklärung
Für Flüchtlinge, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, der nicht Vertragspartei des nordischen Übereinkommens vom 12. Juli 1957 über die Aufhebung der Passkontrolle an den gemeinsamen Grenzen ist, bezeichnet der Ausdruck "Hoheitsgebiet" im Zusammenhang mit dem Recht der Flüchtlinge, sich ohne Visum oder Aufenthaltsbewilligung in Norwegen aufzuhalten, das Hoheitsgebiet, auf das das nordische Übereinkommen Anwendung findet.
Schweden
Erklärung
Für Flüchtlinge, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, der nicht Vertragspartei des nordischen Übereinkommens vom 12. Juli 1957 über die Aufhebung der Passkontrolle an den gemeinsamen Grenzen ist, bezeichnet der Ausdruck "Hoheitsgebiet" im Zusammenhang mit dem Recht der Flüchtlinge, sich ohne Visum oder Aufenthaltsbewilligung in Schweden aufzuhalten, das Hoheitsgebiet, auf das das nordische Übereinkommen Anwendung findet.
Schweiz
Erklärung
Dauernder Aufenthalt im Sinne von Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Abschaffung des Visumzwanges für Flüchtlinge ist dort anzunehmen, wo der Mittelpunkt der persönlichen Interessen des Flüchtlings liegt. So gilt die Anwesenheit auf dem Gebiet eines andern Vertragsstaates zum Besuche von Lehranstalten, zum Aufenthalt in Heilstätten, Erholungsheimen oder in andern ähnlichen Anstalten, nicht als dauernder Aufenthalt im Sinne von Art. 5.
Fürstentum Liechtenstein
Erklärung
Dauernder Aufenthalt im Sinne von Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Abschaffung des Visumzwanges für Flüchtlinge ist dort anzunehmen, wo der Mittelpunkt der persönlichen Interessen des Flüchtlings liegt. So gilt die Anwesenheit auf dem Gebiete eines andern Vertragsstaates zum Besuche von Lehranstalten, zum Aufenthalt in Heilstätten, Erholungsheimen oder in andern ähnlichen Anstalten, nicht als dauernder Aufenthalt im Sinne von Art. 5.