412.014.030
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2014 Nr. 131 ausgegeben am 6. Mai 2014
Verordnung
vom 29. April 2014
über die berufliche Grundbildung Polygrafin/Polygraf mit Fähigkeitszeugnis (FZ)1
Aufgrund von Art. 26 des Berufsbildungsgesetzes (BBG) vom 13. März 2008, LGBl. 2008 Nr. 103, verordnet die Regierung:
I. Gegenstand, Schwerpunkte und Dauer
Art. 1
Berufsbild und Schwerpunkte
1) Polygrafinnen/Polygrafen beherrschen namentlich folgende Tätigkeiten und zeichnen sich durch folgende Haltungen aus:
a) Sie legen auf der Grundlage von Kundenaufträgen und -bedürfnissen die Arbeitsschritte fest und planen ihre Arbeiten. Sie prüfen und übernehmen die angelieferten Daten und speichern sie gemäss betrieblichen Vorgaben.
b) Sie gestalten Publikationen zweckmässig und mediengerecht nach den typografischen und gestalterischen Richtlinien.
c) Sie erstellen oder bereiten Publikationen für Print- oder Screenmedien mediengerecht auf, holen das "Gut zur Ausführung" ein, nehmen Korrekturen vor und stellen das Dokument mit den geforderten Ausgabeparametern fertig.
d) Sie haben eine hohe Sprachkompetenz in der Landessprache und beherrschen neben den grammatikalischen und orthografischen Vorgaben auch die typografischen Regeln.
e) Sie verständigen sich in der Landessprache und beherrschen deren typografische Regeln.
f) Sie garantieren bei ihren Arbeiten eine hohe Qualität und setzen die Vorschriften des Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit pflichtbewusst um.
2) Innerhalb des Berufs der Polygrafin/des Polygrafen gibt es folgende Schwerpunkte:
a) Printmedien;
b) Screenmedien.
3) Der Schwerpunkt wird vor Beginn der beruflichen Grundbildung im Lehrvertrag festgehalten.
Art. 2
Dauer und Beginn
1) Die berufliche Grundbildung dauert vier Jahre.
2) Der Beginn der beruflichen Grundbildung richtet sich nach dem Schuljahr der zuständigen Berufsfachschule.
II. Ziele und Anforderungen
Art. 3
Bildungsinhalte
1) Die Ziele und Anforderungen der beruflichen Grundbildung werden in Form von Handlungskompetenzen nach Art. 4 beschrieben.
2) Die Handlungskompetenzen beinhalten Fachkompetenzen, Methodenkompetenzen sowie Sozial- und Selbstkompetenzen.
3) Beim Aufbau der Handlungskompetenzen arbeiten alle Lernorte eng zusammen und koordinieren ihre Beiträge.
Art. 4
Handlungskompetenzen
Die Ausbildung umfasst in den folgenden Handlungskompetenzbereichen die nachstehenden Handlungskompetenzen:
a) Gestalten mediengerechter Publikationen:
1. Auftrag analysieren und Arbeitsschritte festlegen,
2. inhaltliche Auftragsanalyse vornehmen und gestalterische Spezifikationen festlegen;
b) Erstellen und Aufbereiten mediengerechter Publikationen:
1. gestalteten Auftrag analysieren und Arbeitsschritte festlegen,
2. Bilder bearbeiten,
3. Grafiken erstellen oder bearbeiten,
4. Layout bearbeiten und erstellen,
5. Dokument mit geforderten Ausgabeparametern fertigstellen;
c) Anwenden der Landessprache:
1. Rechtschreibung und mikrotypografische Regeln mit Hilfe der Korrekturzeichen anwenden,
2. Hilfs- und Begriffszeichen anwenden,
3. Wortformen bestimmen und falsche Wortformen berichtigen,
4. orthografische Regeln korrekt nach Duden anwenden,
5. Grundregeln der Interpunktion anwenden;
d) Sicherstellen der Arbeitssicherheit, des Gesundheitsschutzes und des Umweltschutzes:
1. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sicherstellen,
2. Umweltschutz sicherstellen.
III. Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz
Art. 5
1) Die Anbieter der Bildung geben den Lernenden zu Beginn und während der Bildung Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz ab und erklären sie ihnen.
2) Diese Vorschriften und Empfehlungen werden an allen Lernorten vermittelt und in den Qualifikationsverfahren berücksichtigt.
IV. Anteile der Lernorte und Unterrichtssprache
Art. 6
Anteile der Lernorte
1) Die Bildung in beruflicher Praxis erfolgt über die ganze Dauer der beruflichen Grundbildung im Durchschnitt an dreieinhalb Tagen pro Woche.
2) Die schulische Bildung im obligatorischen Unterricht erfolgt in 2 340 Lektionen. Davon entfallen auf den Sportunterricht 240 Lektionen.
3) Die überbetrieblichen Kurse umfassen insgesamt mindestens 26 und höchstens 30 Tage zu acht Stunden. Im letzten Semester der beruflichen Grundbildung finden keine überbetrieblichen Kurse mehr statt.
Art. 7
Unterrichtssprache
1) Unterrichtssprache ist in der Regel die Landessprache.
2) Zweisprachiger Unterricht in der Landessprache und in einer Fremdsprache ist empfohlen.
3) Die Regierung kann andere Unterrichtssprachen zulassen.
V. Bildungsplan und Allgemeinbildung
Art. 8
Bildungsplan
1) Der von den verantwortlichen Organisationen der Arbeitswelt erarbeitete und vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) genehmigte Bildungsplan gilt in Liechtenstein als anerkannt.
2) Der Bildungsplan führt die Handlungskompetenzen nach Art. 4 wie folgt näher aus:
a) Er begründet sie in ihrer Wichtigkeit für die berufliche Grundbildung.
b) Er bestimmt, welches Verhalten in bestimmten Handlungssituationen am Arbeitsplatz erwartet wird.
c) Er differenziert sie in konkrete Leistungsziele aus.
d) Er bezieht sie konsistent auf die Qualifikationsverfahren und beschreibt deren System.
3) Der Bildungsplan legt überdies fest:
a) die curriculare Gliederung der beruflichen Grundbildung;
b) die Aufteilung der überbetrieblichen Kurse über die Dauer der Grundbildung und ihre Organisation;
c) die Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz.
4) Dem Bildungsplan angefügt ist die Liste der Unterlagen zur Umsetzung der beruflichen Grundbildung mit Titel, Datum und Bezugsquelle.
Art. 9
Allgemeinbildung
Für die Allgemeinbildung gilt die Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
VI. Anforderungen an die Anbieter der betrieblich organisierten Grundbildung
Art. 10
Fachliche Mindestanforderungen an Berufsbildnerinnen/Berufsbildner
Die fachlichen Mindestanforderungen an eine Berufsbildnerin/einen Berufsbildner erfüllt, wer über eine der folgenden Qualifikationen verfügt:
a) Polygrafin/Polygraf mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
b) Fähigkeitszeugnis eines verwandten Berufs mit den notwendigen Berufskenntnissen im Bereich der Polygrafin/des Polygrafen und mit mindestens fünf Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
c) einschlägiger Abschluss der höheren Berufsbildung;
d) einschlägiger Abschluss einer Fachhochschule mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet.
Art. 11
Höchstzahl der Lernenden
1) In einem Betrieb darf eine lernende Person ausgebildet werden, wenn:
a) eine entsprechend qualifizierte Berufsbildnerin/ein entsprechend qualifizierter Berufsbildner zu 100 % beschäftigt wird; oder
b) zwei entsprechend qualifizierte Berufsbildnerinnen/entsprechend qualifizierte Berufsbildner zu je mindestens 60 % beschäftigt werden.
2) Tritt eine lernende Person in das letzte Jahr der beruflichen Grundbildung ein, so kann eine weitere lernende Person ihre Bildung beginnen.
3) Mit jeder zusätzlichen Beschäftigung einer Fachkraft zu 100 % oder von zwei Fachkräften zu je mindestens 60 % darf eine weitere lernende Person im Betrieb ausgebildet werden.
4) Als Fachkraft gilt, wer über ein Fähigkeitszeugnis im Fachbereich der lernenden Person oder über eine gleichwertige Qualifikation verfügt.
5) In besonderen Fällen kann das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung einem Betrieb, der seit mehreren Jahren Lernende mit überdurchschnittlichem Erfolg ausgebildet hat, die Überschreitung der Höchstzahl der Lernenden bewilligen.
VII. Lern- und Leistungsdokumentation
Art. 12
Im Betrieb
1) Die lernende Person führt eine Lerndokumentation, in der sie laufend alle wesentlichen Arbeiten, die erworbenen Fähigkeiten und ihre Erfahrungen im Betrieb festhält.
2) Die Berufsbildnerin/der Berufsbildner kontrolliert und unterzeichnet die Lerndokumentation einmal pro Semester. Sie oder er bespricht sie mindestens einmal pro Semester mit der lernenden Person.
3) Die Berufsbildnerin/der Berufsbildner hält am Ende jedes Semesters den Bildungsstand der lernenden Person in einem Bildungsbericht fest.
Art. 13
In der schulischen Bildung und in der schulisch organisierten Grundbildung
Die Anbieter der schulischen Bildung und die Anbieter schulisch organisierter Grundbildungen dokumentieren die Leistungen der Lernenden in den unterrichteten Bereichen und stellen ihnen am Ende jedes Semesters ein Zeugnis aus.
VIII. Qualifikationsverfahren
Art. 14
Zulassung
Zu den Qualifikationsverfahren wird zugelassen, wer die berufliche Grundbildung erworben hat:
a) nach den Bestimmungen dieser Verordnung;
b) in einer dafür zugelassenen Bildungsinstitution; oder
c) ausserhalb eines geregelten Bildungsganges, soweit sie oder er:
1. die nach Art. 46 Abs. 3 BBG erforderliche Erfahrung erworben hat;
2. von dieser beruflichen Erfahrung mindestens drei Jahre im Bereich der Polygrafin/des Polygrafen erworben hat; und
3. glaubhaft macht, den Anforderungen der Abschlussprüfung (Art. 16) gewachsen zu sein.
Art. 15
Gegenstand der Qualifikationsverfahren
In den Qualifikationsverfahren ist nachzuweisen, dass die Handlungskompetenzen nach Art. 4 erworben worden sind.
Art. 16
Umfang und Durchführung des Qualifikationsverfahrens mit Abschlussprüfung
1) Im Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung werden die nachstehenden Qualifikationsbereiche wie folgt geprüft:
a) Praktische Arbeit, als vorgegebene praktische Arbeit (VPA) im Umfang von 24 Stunden: Dieser Qualifikationsbereich wird gegen Ende der beruflichen Grundbildung geprüft. Die lernende Person muss zeigen, dass sie fähig ist, die geforderten Tätigkeiten fachlich korrekt sowie bedarfs- und situationsgerecht auszuführen. Die Lerndokumentation und die Unterlagen der überbetrieblichen Kurse dürfen als Hilfsmittel verwendet werden.
b) Berufskenntnisse, im Umfang von fünf Stunden: Dieser Qualifikationsbereich wird gegen Ende der beruflichen Grundbildung geprüft. Die lernende Person wird schriftlich befragt.
c) Allgemeinbildung: Dieser Qualifikationsbereich richtet sich nach der Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
2) In jedem Qualifikationsbereich beurteilen mindestens zwei Prüfungsexpertinnen/Prüfungsexperten die Leistungen.
Art. 17
Bestehen, Notenberechnung, Notengewichtung
1) Das Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung ist bestanden, wenn:
a) der Qualifikationsbereich "praktische Arbeit" mit der Note 4 oder höher bewertet wird; und
b) die Gesamtnote 4 oder höher erreicht wird.
2) Die Gesamtnote ist das auf eine Dezimalstelle gerundete Mittel aus der Summe der gewichteten Noten der einzelnen Qualifikationsbereiche der Abschlussprüfung sowie der gewichteten Erfahrungsnote.
3) Die Erfahrungsnote ist das auf eine ganze oder halbe Note gerundete Mittel aus der Summe der acht Semesterzeugnisnoten des berufskundlichen Unterrichts.
4) Für die Berechnung der Gesamtnote werden die einzelnen Noten wie folgt gewichtet:
a) praktische Arbeit: 40 %;
b) Berufskenntnisse: 20 %;
c) Allgemeinbildung: 20 %;
d) Erfahrungsnote: 20 %.
Art. 18
Wiederholungen
1) Wiederholungen von Qualifikationsverfahren sind höchstens zweimal möglich. Muss ein Qualifikationsbereich wiederholt werden, so ist er in seiner Gesamtheit zu wiederholen.
2) Wird die Abschlussprüfung ohne erneuten Besuch der Berufsfachschule wiederholt, so wird die bisherige Erfahrungsnote beibehalten. Wird der berufskundliche Unterricht während mindestens zwei Semestern wiederholt, so zählen für die Berechnung der Erfahrungsnote nur die neuen Noten.
Art. 19
Spezialfall
1) Hat eine lernende Person die Vorbildung ausserhalb der geregelten beruflichen Grundbildung erworben und die Abschlussprüfung nach dieser Verordnung absolviert, so entfällt die Erfahrungsnote.
2) Für die Berechnung der Gesamtnote werden die einzelnen Noten wie folgt gewichtet:
a) praktische Arbeit: 50 %;
b) Berufskenntnisse: 30 %;
c) Allgemeinbildung: 20 %.
IX. Ausweise und Titel
Art. 20
Fähigkeitszeugnis
1) Wer ein Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, erhält ein Fähigkeitszeugnis.
2) Das Fähigkeitszeugnis berechtigt, den gesetzlich geschützten Titel "Polygrafin FZ"/"Polygraf FZ" zu führen.
3) Ist das Fähigkeitszeugnis mittels Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung erworben worden, so werden im Notenausweis aufgeführt:
a) die Gesamtnote;
b) die Noten jedes Qualifikationsbereichs der Abschlussprüfung sowie, unter dem Vorbehalt von Art. 19 Abs. 1, die Erfahrungsnote.
X. Kommission für Berufsentwicklung und Qualität
Art. 21
Die Regierung kann eine Kommission bestimmen, der die Förderung der Berufsentwicklung und die Sicherstellung der Qualität der Grundbildung für Polygrafinnen/Polygrafen obliegt.
XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 22
Aufhebung bisherigen Rechts
Die Verordnung vom 17. August 2010 über die berufliche Grundbildung Polygrafin/Polygraf mit Fähigkeitszeugnis (FZ), LGBl. 2010 Nr. 228, wird aufgehoben.
Art. 23
Übergangsbestimmungen
1) Lernende, die ihre Bildung als Polygrafin/Polygraf vor dem 1. Juni 2014 begonnen haben, schliessen sie nach bisherigem Recht ab.
2) Wer die Lehrabschlussprüfung für Polygrafin/Polygraf bis zum 31. Dezember 2019 wiederholt, kann verlangen, nach bisherigem Recht beurteilt zu werden.
Art. 24
Inkrafttreten
1) Diese Verordnung tritt am 1. Juni 2014 in Kraft.
2) Die Bestimmungen über Qualifikationsverfahren, Ausweise und Titel (Art. 14 bis 20) treten am 1. Januar 2018 in Kraft.

Fürstliche Regierung:

gez. Marlies Amann-Marxer

Regierungsrätin

1   34710 Polygrafin/Polygraf