0.311.73
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2017 Nr. 62 ausgegeben am 9. März 2017
Übereinkommen
des Europarats zur Verhütung des Terrorismus1
Abgeschlossen in Warschau am 16. Mai 2005
Zustimmung des Landtags: 31. August 20162
Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein: 1. März 2017
Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Unterzeichner dieses Übereinkommens -
von der Erwägung geleitet, dass es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen;
in Anerkennung der Bedeutung einer verstärkten Zusammenarbeit mit den anderen Vertragsparteien dieses Übereinkommens;
von dem Wunsch geleitet, wirksame Massnahmen zu treffen, um Terrorismus zu verhüten und insbesondere der öffentlichen Aufforderung zur Begehung terroristischer Straftaten sowie der Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke entgegenzutreten;
angesichts der ernsthaften Besorgnis, die durch die Zunahme terroristischer Straftaten und die wachsende terroristische Bedrohung verursacht wird;
angesichts der prekären Lage derer, die von Terrorismus betroffen sind, und in diesem Zusammenhang in Bekräftigung ihrer tiefen Solidarität mit den Opfern des Terrorismus und ihren Angehörigen;
in Anerkennung dessen, dass terroristische Straftaten und die in diesem Übereinkommen genannten Straftaten, unabhängig davon, von wem sie begangen werden, unter keinen Umständen gerechtfertigt werden können, indem politische, philosophische, weltanschauliche, rassische, ethnische, religiöse oder sonstige Erwägungen ähnlicher Art angeführt werden, und unter Hinweis auf die Verpflichtung aller Vertragsparteien, solche Straftaten zu verhüten und diese, wenn sie nicht verhütet wurden, strafrechtlich zu verfolgen und sicherzustellen, dass sie mit Strafen bedroht werden, welche die Schwere der Tat berücksichtigen;
unter Hinweis auf die Notwendigkeit, den Kampf gegen den Terrorismus zu verstärken, und bekräftigend, dass alle Massnahmen zur Verhütung oder Bekämpfung terroristischer Straftaten unter Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Werte, der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie anderer Bestimmungen des Völkerrechts, einschliesslich, soweit anwendbar, des humanitären Völkerrechts, zu treffen sind;
in Anerkennung dessen, dass eine Beeinträchtigung der anerkannten Grundsätze betreffend die Freiheit der Meinungsäusserung und die Vereinigungsfreiheit durch dieses Übereinkommen nicht beabsichtigt ist;
unter Hinweis darauf, dass terroristische Handlungen aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielen, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, eine Regierung oder internationale Organisation rechtswidrig zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören -
sind wie folgt übereingekommen:
Art. 1
Begriffsbestimmung
1) Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet "terroristische Straftat" eine Straftat im Geltungsbereich und nach der Begriffsbestimmung einer der im Anhang aufgeführten Verträge.
2) Bei Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde kann ein Staat oder die Europäische Gemeinschaft3, sofern der Staat oder die Europäische Gemeinschaft nicht Vertragspartei einer der im Anhang aufgeführten Verträge ist, erklären, dass der betreffende Vertrag bei der Anwendung dieses Übereinkommens auf die betreffende Vertragspartei als nicht im Anhang aufgeführt gilt. Diese Erklärung wird ungültig, sobald der Vertrag für die Vertragspartei, die eine solche Erklärung abgegeben hat, in Kraft getreten ist; diese notifiziert dem Generalsekretär des Europarats dieses Inkrafttreten.
Art. 2
Zweck
Zweck dieses Übereinkommens ist es, die Bestrebungen der Vertragsparteien zur Verhütung des Terrorismus und seiner nachteiligen Auswirkungen auf den uneingeschränkten Genuss der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben, sowohl durch innerstaatlich zu treffende Massnahmen als auch durch internationale Zusammenarbeit unter gebührender Berücksichtigung der bestehenden anwendbaren mehrseitigen oder zweiseitigen Verträge oder sonstigen Übereinkünfte zwischen den Vertragsparteien zu fördern.
Art. 3
Innerstaatliche Massnahmen zur Verhütung des Terrorismus
1) Jede Vertragspartei trifft die geeigneten Massnahmen, insbesondere im Bereich der Aus- und Weiterbildung der Strafverfolgungsbehörden und anderer Einrichtungen sowie in den Bereichen Bildung, Kultur, Information, Medien und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit, um terroristische Straftaten und ihre nachteiligen Auswirkungen unter Achtung der Verpflichtungen zur Wahrung der Menschenrechte, wie sie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen enthalten sind, soweit diese auf die Vertragspartei anwendbar sind, zu verhüten.
2) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die Zusammenarbeit zwischen den innerstaatlichen Behörden zu verbessern und weiterzuentwickeln, damit terroristische Straftaten und ihre nachteiligen Auswirkungen verhütet werden, unter anderem durch:
a) den Austausch von Informationen;
b) die Verbesserung des physischen Schutzes von Personen und Einrichtungen;
c) die Verbesserung von Ausbildungs- und Koordinationsplänen für zivile Notfälle.
3) Jede Vertragspartei fördert die Toleranz, indem sie den interreligiösen und interkulturellen Dialog, gegebenenfalls unter Beteiligung von nichtstaatlichen Organisationen und anderen Teilen der Zivilgesellschaft, stärkt, um Spannungen zu verhindern, die zur Begehung terroristischer Straftaten beitragen könnten.
4) Jede Vertragspartei ist bestrebt, das öffentliche Bewusstsein für das Vorhandensein terroristischer Straftaten und der in diesem Übereinkommen genannten Straftaten, für ihre Ursachen und Schwere sowie für die von ihnen ausgehende Bedrohung zu schärfen, und zieht in Erwägung, die Öffentlichkeit zu ermutigen, ihren zuständigen Behörden sachbezogene, spezifische Hilfe zu leisten, die zur Verhütung terroristischer Straftaten und der in diesem Übereinkommen genannten Straftaten beitragen könnte.
Art. 4
Internationale Zusammenarbeit bei der Verhütung des Terrorismus
Die Vertragsparteien gewähren einander soweit angebracht und unter gebührender Berücksichtigung ihrer Möglichkeiten Hilfe und Unterstützung, um sich besser in die Lage zu versetzen, die Begehung terroristischer Straftaten zu verhüten, unter anderem durch den Austausch von Informationen und bewährten Vorgehensweisen sowie durch Aus- und Weiterbildung und andere gemeinsame Bemühungen vorbeugender Art.
Art. 5
Öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat
1) Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet "öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat" das öffentliche Verbreiten oder sonstige öffentliche Zugänglichmachen einer Botschaft mit dem Vorsatz, zur Begehung einer terroristischen Straftat anzustiften, wenn dieses Verhalten, unabhängig davon, ob dabei terroristische Straftaten unmittelbar befürwortet werden, die Gefahr begründet, dass eine oder mehrere solcher Straftaten begangen werden könnten.
2) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat im Sinne des Abs. 1, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.
Art. 6
Anwerbung für terroristische Zwecke
1) Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet "Anwerbung für terroristische Zwecke", eine andere Person dazu zu bestimmen, eine terroristische Straftat zu begehen, sich an deren Begehung zu beteiligen oder sich einer Vereinigung oder einer Gruppe zu dem Zweck anzuschliessen, zur Begehung einer oder mehrerer terroristischer Straftaten durch die Vereinigung oder Gruppe beizutragen.
2) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die Anwerbung für terroristische Zwecke im Sinne des Abs. 1, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.
Art. 7
Ausbildung für terroristische Zwecke
1) Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet "Ausbildung für terroristische Zwecke" die Unterweisung in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoffen, Feuer- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder die Unterweisung in anderen spezifischen Methoden oder Verfahren mit dem Ziel, eine terroristische Straftat zu begehen oder zu deren Begehung beizutragen, in Kenntnis der Tatsache, dass die vermittelten Fähigkeiten für diesen Zweck eingesetzt werden sollen.
2) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die Ausbildung für terroristische Zwecke im Sinne des Abs. 1, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.
Art. 8
Unerheblichkeit der tatsächlichen Begehung einer terroristischen Straftat
Für die Umschreibung einer Handlung als Straftat im Sinne der Art. 5 bis 7 ist es nicht erforderlich, dass eine terroristische Handlung tatsächlich begangen wird.
Art. 9
Ergänzende Straftatbestände
1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um folgende Handlungen nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben:
a) die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer Straftat im Sinne der Art. 5 bis 7;
b) das Organisieren einer Straftat im Sinne der Art. 5 bis 7 oder das Anweisen anderer, eine solche Straftat zu begehen;
c) der Beitrag zur Begehung einer oder mehrerer Straftaten im Sinne der Art. 5 bis 7 durch eine Gruppe von zu einem gemeinsamen Zweck handelnden Personen. Dieser Beitrag muss vorsätzlich sein und entweder
i) mit dem Ziel geleistet werden, die kriminelle Tätigkeit oder den kriminellen Zweck der Gruppe zu fördern, wenn die Tätigkeit oder der Zweck die Begehung einer Straftat im Sinne der Art. 5 bis 7 einschliesst, oder
ii) in Kenntnis des Vorsatzes der Gruppe geleistet werden, eine Straftat im Sinne der Art. 5 bis 7 zu begehen.
2) Jede Vertragspartei trifft ferner die erforderlichen Massnahmen, um den Versuch der Begehung einer Straftat im Sinne der Art. 6 und 7 nach ihrem innerstaatlichen Recht und in Übereinstimmung mit diesem als Straftat zu umschreiben.
Art. 10
Verantwortlichkeit juristischer Personen
1) Jede Vertragspartei trifft in Übereinstimmung mit ihren Rechtsgrundsätzen die erforderlichen Massnahmen, um die Verantwortlichkeit juristischer Personen für die Beteiligung an den in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten zu begründen.
2) Vorbehaltlich der Rechtsgrundsätze der Vertragspartei kann die Verantwortlichkeit juristischer Personen strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Art sein.
3) Diese Verantwortlichkeit berührt nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit der natürlichen Personen, welche die Straftaten begangen haben.
Art. 11
Sanktionen und Massnahmen
1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten mit wirksamen, verhältnismässigen und abschreckenden Strafen zu bedrohen.
2) Frühere rechtskräftige Verurteilungen, die in ausländischen Staaten wegen in diesem Übereinkommen genannten Straftaten ergangen sind, können, soweit das innerstaatliche Recht dies gestattet, bei der Bestimmung des Strafmasses nach innerstaatlichem Recht berücksichtigt werden.
3) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass juristische Personen, die nach Art. 10 verantwortlich gemacht werden, wirksamen, verhältnismässigen und abschreckenden strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Sanktionen oder Massnahmen, einschliesslich Geldsanktionen, unterliegen.
Art. 12
Bedingungen und Garantien
1) Jede Vertragspartei stellt sicher, dass bei der Schaffung, Umsetzung und Anwendung der Strafbarkeit nach den Art. 5 bis 7 und 9 die Verpflichtungen zur Wahrung der Menschenrechte, insbesondere das Recht auf freie Meinungsäusserung, auf Vereinigungsfreiheit und auf Religionsfreiheit, wie sie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen enthalten sind, soweit diese auf die Vertragspartei anwendbar sind, geachtet werden.
2) Die Schaffung, Umsetzung und Anwendung der Strafbarkeit nach den Art. 5 bis 7 und 9 soll ferner im Hinblick auf die rechtmässig verfolgten Ziele und deren Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit unterliegen und jegliche Form der Willkür oder der diskriminierenden oder rassistischen Behandlung ausschliessen.
Art. 13
Schutz, Entschädigung und Unterstützung für Opfer des Terrorismus
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die Opfer terroristischer Handlungen, die in ihrem eigenen Hoheitsgebiet verübt worden sind, zu schützen und zu unterstützen. Diese Massnahmen können im Rahmen geeigneter innerstaatlicher Mechanismen und vorbehaltlich der innerstaatlichen Rechtsvorschriften unter anderem die finanzielle Unterstützung und Entschädigung von Opfern des Terrorismus und ihren nahen Angehörigen einschliessen.
Art. 14
Gerichtsbarkeit
1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um ihre Gerichtsbarkeit über die in diesem Übereinkommen genannten Straftaten zu begründen,
a) wenn die Straftat im Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei begangen wird;
b) wenn die Straftat an Bord eines Schiffes, das die Flagge dieser Vertragspartei führt, oder eines Luftfahrzeugs, das nach dem Recht dieser Vertragspartei eingetragen ist, begangen wird;
c) wenn die Straftat von einem Staatsangehörigen dieser Vertragspartei begangen wird.
2) Jede Vertragspartei kann ihre Gerichtsbarkeit über die in diesem Übereinkommen genannten Straftaten auch begründen,
a) wenn es Ziel oder Ergebnis der Straftat war, im Hoheitsgebiet oder gegen einen Staatsangehörigen dieser Vertragspartei eine Straftat im Sinne des Art. 1 zu begehen;
b) wenn es Ziel oder Ergebnis der Straftat war, gegen eine staatliche oder öffentliche Einrichtung dieser Vertragspartei im Ausland, einschliesslich diplomatischer oder konsularischer Räumlichkeiten dieser Vertragspartei, eine Straftat im Sinne des Art. 1 zu begehen;
c) wenn Ziel oder Ergebnis der Straftat eine Straftat im Sinne des Art. 1 war, die in der Absicht begangen wurde, diese Vertragspartei zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen;
d) wenn die Straftat von einer staatenlosen Person begangen wird, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei hat;
e) wenn die Straftat an Bord eines Luftfahrzeugs begangen wird, das von der Regierung dieser Vertragspartei betrieben wird.
3) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um ihre Gerichtsbarkeit über die in diesem Übereinkommen genannten Straftaten für den Fall zu begründen, dass der Verdächtige sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet und sie ihn nicht an eine Vertragspartei ausliefert, deren Gerichtsbarkeit auf einer Zuständigkeitsregelung beruht, die in gleicher Weise im Recht der ersuchten Vertragspartei besteht.
4) Dieses Übereinkommen schliesst die Ausübung einer Strafgerichtsbarkeit nach innerstaatlichem Recht nicht aus.
5) Wird die Gerichtsbarkeit für eine mutmassliche Straftat im Sinne dieses Übereinkommens von mehr als einer Vertragspartei geltend gemacht, so konsultieren die beteiligten Vertragsparteien einander, soweit angebracht, um die für die Strafverfolgung geeignetste Gerichtsbarkeit zu bestimmen.
Art. 15
Ermittlungspflicht
1) Ist eine Vertragspartei unterrichtet worden, dass eine Person, die eine in diesem Übereinkommen genannte Straftat begangen hat oder verdächtigt wird, eine solche begangen zu haben, sich möglicherweise in ihrem Hoheitsgebiet befindet, so trifft sie die nach ihrem innerstaatlichen Recht erforderlichen Massnahmen, um den Sachverhalt, über den sie unterrichtet wurde, zu untersuchen.
2) Hat sich die Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet sich der Täter oder Verdächtige befindet, vergewissert, dass die Umstände es rechtfertigen, so trifft sie die geeigneten Massnahmen nach ihrem innerstaatlichen Recht, um die Anwesenheit dieser Person für die Zwecke der Strafverfolgung oder der Auslieferung sicherzustellen.
3) Jede Person, gegen welche die in Abs. 2 genannten Massnahmen getroffen werden, ist berechtigt,
a) unverzüglich mit dem nächsten zuständigen Vertreter des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder der anderweitig zum Schutz ihrer Rechte berechtigt ist, oder, wenn sie staatenlos ist, des Staates, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, in Verbindung zu treten;
b) den Besuch eines Vertreters dieses Staates zu empfangen;
c) über ihre Rechte nach den Bst. a und b unterrichtet zu werden.
4) Die in Abs. 3 genannten Rechte werden in Übereinstimmung mit den Gesetzen und sonstigen Vorschriften der Vertragspartei ausgeübt, in deren Hoheitsgebiet sich der Täter oder Verdächtige befindet, wobei jedoch diese Gesetze und sonstigen Vorschriften die volle Verwirklichung der Zwecke gestatten müssen, für welche die Rechte nach Abs. 3 gewährt werden.
5) Die Abs. 3 und 4 lassen das Recht jeder Vertragspartei, die nach Art. 14 Abs. 1 Bst. c und Art. 14 Abs. 2 Bst. d Gerichtsbarkeit beanspruchen kann, unberührt, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz einzuladen, mit dem Verdächtigen in Verbindung zu treten und ihn zu besuchen.
Art. 16
Nichtanwendbarkeit des Übereinkommens
Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung, wenn eine der nach den Art. 5 bis 7 und 9 umschriebenen Straftaten innerhalb eines einzigen Staates begangen wird, der Verdächtige Angehöriger dieses Staates ist und sich im Hoheitsgebiet dieses Staates befindet und kein anderer Staat nach Art. 14 Abs. 1 oder 2 seine Gerichtsbarkeit begründen kann, wobei in solchen Fällen die jeweils zutreffenden Bestimmungen der Art. 17 und 20 bis 22 Anwendung finden.
Art. 17
Internationale Zusammenarbeit in Strafsachen
1) Die Vertragsparteien gewähren einander die weitestgehende Hilfe im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen sowie Straf- und Auslieferungsverfahren in Bezug auf die in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten, einschliesslich der Hilfe bei der Beschaffung der sich in ihrem Besitz befindlichen und für das Verfahren erforderlichen Beweismittel.
2) Die Vertragsparteien erfüllen ihre Verpflichtungen nach Abs. 1 im Einklang mit den gegebenenfalls zwischen ihnen bestehenden Verträgen oder sonstigen Übereinkünften über die Rechtshilfe. In Ermangelung solcher Verträge oder sonstigen Übereinkünfte gewähren die Vertragsparteien einander Rechtshilfe nach ihrem innerstaatlichen Recht.
3) Die Vertragsparteien arbeiten untereinander nach Massgabe des einschlägigen Rechts und der einschlägigen Verträge und sonstigen Übereinkünfte der ersuchten Vertragspartei bei strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfahren in Bezug auf die Straftaten, für die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei eine juristische Person nach Art. 10 verantwortlich gemacht werden kann, im grösstmöglichen Umfang zusammen.
4) Jede Vertragspartei kann die Schaffung zusätzlicher Mechanismen erwägen, um andere Vertragsparteien an Informationen oder Beweismitteln, die zur Begründung strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Verantwortlichkeit nach Art. 10 erforderlich sind, teilhaben zu lassen.
Art. 18
Auslieferung oder Strafverfolgung
1) Ist die Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet sich der Verdächtige befindet, nach Art. 14 zuständig, so ist sie, wenn sie ihn nicht ausliefert, verpflichtet, den Fall ohne irgendeine Ausnahme und unabhängig davon, ob die Straftat in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde, ohne unangemessene Verzögerung ihren zuständigen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung in einem Verfahren nach ihrem Recht zu unterbreiten. Diese Behörden treffen ihre Entscheidung in der gleichen Weise wie im Fall einer anderen schweren Straftat nach dem Recht dieser Vertragspartei.
2) Darf eine Vertragspartei nach innerstaatlichem Recht einen Staatsangehörigen nur unter der Bedingung ausliefern oder überstellen, dass die betreffende Person ihr rücküberstellt wird, um die Strafe zu verbüssen, die als Ergebnis des Gerichts- oder anderen Verfahrens verhängt wird, dessentwegen um ihre Auslieferung oder Überstellung ersucht wurde, und sind diese Vertragspartei und die um Auslieferung ersuchende Vertragspartei mit dieser Vorgehensweise und etwaigen anderen Bedingungen, die sie für zweckmässig erachten, einverstanden, so entbindet diese bedingte Auslieferung oder Überstellung von der in Abs. 1 genannten Verpflichtung.
Art. 19
Auslieferung
1) Die in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten gelten als in jeden zwischen Vertragsparteien vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens bestehenden Auslieferungsvertrag einbezogene der Auslieferung unterliegende Straftaten. Die Vertragsparteien verpflichten sich, diese Straftaten als der Auslieferung unterliegende Straftaten in jeden künftig zwischen ihnen zu schliessenden Auslieferungsvertrag aufzunehmen.
2) Erhält eine Vertragspartei, welche die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrags abhängig macht, ein Auslieferungsersuchen von einer anderen Vertragspartei, mit der sie keinen Auslieferungsvertrag hat, so steht es der ersuchten Vertragspartei frei, dieses Übereinkommen als Rechtsgrundlage für die Auslieferung in Bezug auf die in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten anzusehen. Die Auslieferung unterliegt im Übrigen den im Recht der ersuchten Vertragspartei vorgesehenen Bedingungen.
3) Vertragsparteien, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, erkennen unter sich die in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten als der Auslieferung unterliegende Straftaten vorbehaltlich der im Recht der ersuchten Vertragspartei vorgesehenen Bedingungen an.
4) Die in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten werden für die Zwecke der Auslieferung zwischen Vertragsparteien nötigenfalls so behandelt, als seien sie nicht nur an dem Ort, an dem sie sich ereignet haben, sondern auch in den Hoheitsgebieten der Vertragsparteien begangen worden, die nach Art. 14 ihre Gerichtsbarkeit begründet haben.
5) Die Bestimmungen aller Auslieferungsverträge und sonstigen Übereinkünfte über Auslieferung zwischen den Vertragsparteien gelten hinsichtlich der in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten als im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien geändert, soweit sie mit diesem Übereinkommen unvereinbar sind.
Art. 20
Ausschluss der Ausnahmeregelung für politische Straftaten
1) Für die Zwecke der Auslieferung oder der Rechtshilfe wird keine der in den Art. 5 bis 7 und 9 genannten Straftaten als politische Straftat, als eine mit einer politischen Straftat zusammenhängende oder als eine auf politischen Beweggründen beruhende Straftat angesehen. Folglich darf ein Ersuchen um Auslieferung oder Rechtshilfe, das auf einer solchen Straftat beruht, nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass es sich um eine politische Straftat, um eine mit einer politischen Straftat zusammenhängende oder um eine auf politischen Beweggründen beruhende Straftat handle.
2) Unbeschadet der Anwendbarkeit der Art. 19 bis 23 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge auf die anderen Artikel dieses Übereinkommens kann jeder Staat oder die Europäische Gemeinschaft bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde zu diesem Übereinkommen erklären, dass er oder sie sich das Recht vorbehält, Abs. 1 nicht anzuwenden, sofern es sich um eine Auslieferung wegen einer in diesem Übereinkommen genannten Straftat handelt. Die Vertragspartei verpflichtet sich, diesen Vorbehalt im Einzelfall auf der Grundlage einer gebührend begründeten Entscheidung anzuwenden.
3) Eine Vertragspartei kann einen Vorbehalt, den sie nach Abs. 2 angebracht hat, durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung ganz oder teilweise zurücknehmen; die Erklärung wird mit ihrem Eingang wirksam.
4) Eine Vertragspartei, die einen Vorbehalt nach Abs. 2 angebracht hat, kann nicht verlangen, dass eine andere Vertragspartei Abs. 1 anwendet; sie kann jedoch, wenn es sich um einen Teilvorbehalt oder einen bedingten Vorbehalt handelt, die Anwendung dieses Artikels insoweit verlangen, als sie selbst ihn angenommen hat.
5) Der Vorbehalt ist vom Tag des Inkrafttretens dieses Übereinkommens für die betreffende Vertragspartei an für einen Zeitabschnitt von drei Jahren gültig. Der Vorbehalt kann jedoch für Zeitabschnitte derselben Dauer erneuert werden.
6) Zwölf Monate vor Erlöschen des Vorbehalts unterrichtet der Generalsekretär des Europarats die betreffende Vertragspartei über dieses Erlöschen. Spätestens drei Monate vor dem Erlöschen notifiziert die Vertragspartei dem Generalsekretär des Europarats ihre Absicht, den Vorbehalt aufrechtzuerhalten, zu ändern oder zurückzunehmen. Notifiziert eine Vertragspartei dem Generalsekretär des Europarats, dass sie ihren Vorbehalt aufrechterhält, so erläutert sie die Gründe für die Aufrechterhaltung. In Ermangelung einer Notifikation der betreffenden Vertragspartei teilt der Generalsekretär des Europarats dieser Vertragspartei mit, dass ihr Vorbehalt automatisch um sechs Monate verlängert wird. Notifiziert die betreffende Vertragspartei ihre Entscheidung, ihren Vorbehalt aufrechtzuerhalten oder zu ändern, nicht vor Ablauf dieses Zeitabschnitts, so erlischt der Vorbehalt.
7) Liefert eine Vertragspartei, nachdem sie ein Auslieferungsersuchen einer anderen Vertragspartei erhalten hat, eine Person in Anwendung dieses Vorbehalts nicht aus, so unterbreitet sie den Fall ohne jede Ausnahme und ohne unangemessene Verzögerung ihren zuständigen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung, sofern zwischen der ersuchenden Vertragspartei und der ersuchten Vertragspartei nichts anderes vereinbart wird. Die zuständigen Behörden treffen zum Zweck der Strafverfolgung im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei ihre Entscheidung in der gleichen Weise wie im Fall einer schweren Straftat nach dem Recht dieses Staates. Die ersuchte Vertragspartei unterrichtet die ersuchende Vertragspartei und den Generalsekretär des Europarats ohne unangemessene Verzögerung über den Ausgang des Verfahrens; der Generalsekretär teilt den Ausgang des Verfahrens der in Art. 30 vorgesehenen Konsultationsrunde der Vertragsparteien mit.
8) Die Entscheidung, das Auslieferungsersuchen auf der Grundlage dieses Vorbehalts abzulehnen, wird der ersuchenden Vertragspartei umgehend mitgeteilt. Ergeht im Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei innerhalb einer angemessenen Frist keine gerichtliche Entscheidung in der Sache nach Abs. 7, so kann die ersuchende Vertragspartei dies dem Generalsekretär des Europarats mitteilen; dieser unterbreitet die Angelegenheit der in Art. 30 vorgesehenen Konsultationsrunde der Vertragsparteien. Die Konsultationsrunde prüft die Angelegenheit und nimmt zu der Frage Stellung, ob die Ablehnung mit dem Übereinkommen in Einklang steht; diese Stellungnahme legt sie dem Ministerkomitee im Hinblick auf die Abgabe einer entsprechenden Erklärung vor. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben nach diesem Absatz tagt das Ministerkomitee in seiner auf die Vertragsstaaten begrenzten Zusammensetzung.
Art. 21
Diskriminierungsklausel
1) Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als enthalte es eine Verpflichtung zur Auslieferung oder Rechtshilfe, wenn die ersuchte Vertragspartei ernstliche Gründe für die Annahme hat, dass das Auslieferungsersuchen wegen in den Art. 5 bis 7 und 9 genannter Straftaten oder das Ersuchen um Rechtshilfe in Bezug auf solche Straftaten gestellt worden ist, um eine Person wegen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Anschauungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass die Lage dieser Person aus einem dieser Gründe erschwert werden könnte, wenn dem Ersuchen stattgegeben würde.
2) Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als enthalte es eine Verpflichtung zur Auslieferung, wenn der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung droht.
3) Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als enthalte es eine Verpflichtung zur Auslieferung, wenn der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, die Todesstrafe oder, falls die Rechtsvorschriften der ersuchten Vertragspartei keine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Freilassung auf Bewährung4 droht, es sei denn, dass die ersuchte Vertragspartei nach den anwendbaren Auslieferungsverträgen zur Auslieferung verpflichtet ist, wenn die ersuchende Vertragspartei eine von der ersuchten Vertragspartei als hinreichend erachtete Zusicherung abgibt, dass die Todesstrafe nicht verhängt oder, sollte sie verhängt werden, nicht vollstreckt wird oder dass gegen den Verfolgten keine lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Freilassung auf Bewährung1 verhängt wird.
Art. 22
Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen
1) Unbeschadet ihrer eigenen Ermittlungen oder Verfahren können die zuständigen Behörden einer Vertragspartei ohne vorheriges Ersuchen den zuständigen Behörden einer anderen Vertragspartei Informationen übermitteln, die sie im Rahmen ihrer eigenen Ermittlungen gewonnen haben, wenn sie der Auffassung sind, dass die Übermittlung dieser Informationen der Vertragspartei, welche die Informationen empfängt, bei der Einleitung oder Durchführung von Ermittlungen oder Verfahren helfen oder dazu führen könnte, dass diese Vertragspartei ein Ersuchen nach diesem Übereinkommen stellt.
2) Die Vertragspartei, welche die Informationen zur Verfügung stellt, kann nach Massgabe ihres innerstaatlichen Rechts Bedingungen für die Verwendung dieser Informationen durch die Vertragspartei, welche die Informationen empfängt, festlegen.
3) Die Vertragspartei, welche die Informationen empfängt, ist an diese Bedingungen gebunden.
4) Jede Vertragspartei kann jedoch jederzeit durch eine Erklärung, die an den Generalsekretär des Europarats gerichtet wird, erklären, dass sie sich das Recht vorbehält, nicht an die Bedingungen gebunden zu sein, die nach Abs. 2 von der Vertragspartei, welche die Informationen zur Verfügung stellt, festgelegt worden sind, sofern sie nicht zuvor über die Art dieser Informationen unterrichtet worden ist und deren Übermittlung zustimmt.
Art. 23
Unterzeichnung und Inkrafttreten
1) Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, für die Europäische Gemeinschaft und für Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt haben, zur Unterzeichnung auf.
2) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
3) Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem sechs Unterzeichner, darunter mindestens vier Mitgliedstaaten des Europarats, nach Abs. 2 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Übereinkommen gebunden zu sein.
4) Für jeden Unterzeichner, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch dieses Übereinkommen gebunden zu sein, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem er nach Abs. 2 seine Zustimmung ausgedrückt hat, durch das Übereinkommen gebunden zu sein.
Art. 24
Beitritt zum Übereinkommen
1) Nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarats nach Konsultation der Vertragsparteien des Übereinkommens und mit deren einhelliger Zustimmung jeden Staat, der nicht Mitglied des Europarats ist und der sich nicht an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt hat, einladen, dem Übereinkommen beizutreten. Der Beschluss wird mit der in Art. 20 Bst. d der Satzung des Europarats vorgesehenen Mehrheit und mit einhelliger Zustimmung der Vertreter der Vertragsparteien, die Anspruch auf einen Sitz im Ministerkomitee haben, gefasst.
2) Für jeden Staat, der dem Übereinkommen nach Abs. 1 beitritt, tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats folgt.
Art. 25
Räumlicher Geltungsbereich
1) Jeder Staat oder die Europäische Gemeinschaft kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet.
2) Jede Vertragspartei kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Übereinkommens auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Das Übereinkommen tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.
3) Jede nach den Abs. 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
Art. 26
Wirkungen des Übereinkommens
1) Dieses Übereinkommen ergänzt die zwischen den Vertragsparteien anwendbaren zwei- oder mehrseitigen Verträge oder sonstigen Übereinkünfte, einschliesslich der folgenden Verträge des Europarats:
- Europäisches Auslieferungsübereinkommen, am 13. Dezember 1957 in Paris zur Unterzeichnung aufgelegt (SEV Nr. 24);
- Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, am 20. April 1959 in Strassburg zur Unterzeichnung aufgelegt (SEV Nr. 30);
- Europäisches Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus, am 27. Januar 1977 in Strassburg zur Unterzeichnung aufgelegt (SEV Nr. 90);
- Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, am 17. März 1978 in Strassburg zur Unterzeichnung aufgelegt (SEV Nr. 99);
- Zweites Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, am 8. November 2001 in Strassburg zur Unterzeichnung aufgelegt (SEV Nr. 182);
- Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus, am 15. Mai 2003 in Strassburg zur Unterzeichnung aufgelegt (SEV Nr. 190).
2) Haben zwei oder mehr Vertragsparteien bereits eine Übereinkunft oder einen Vertrag über Fragen geschlossen, die in diesem Übereinkommen geregelt sind, oder haben sie ihre Beziehungen in diesen Fragen anderweitig geregelt oder sollten sie dies in Zukunft tun, so sind sie auch berechtigt, die Übereinkunft oder den Vertrag oder die entsprechenden Regelungen anzuwenden. Regeln Vertragsparteien ihre Beziehungen in den in diesem Übereinkommen geregelten Fragen jedoch anders als hierin vorgesehen, so tun sie dies in einer Weise, die zu den Zielen und Grundsätzen des Übereinkommens nicht in Widerspruch steht.
3) Unbeschadet des Ziels und Zwecks dieses Übereinkommens und seiner uneingeschränkten Anwendung gegenüber anderen Vertragsparteien wenden Vertragsparteien, die Mitglieder der Europäischen Union sind, in ihren Beziehungen untereinander die Vorschriften der Gemeinschaft und der Europäischen Union an, soweit es für die betreffende Frage Vorschriften der Gemeinschaft und der Europäischen Union gibt und diese auf den konkreten Fall anwendbar sind.
4) Dieses Übereinkommen lässt andere Rechte, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten, die sich für eine Vertragspartei und für Einzelpersonen aus dem Völkerrecht, einschliesslich des humanitären Völkerrechts, ergeben, unberührt.
5) Die Tätigkeiten von Streitkräften während eines bewaffneten Konflikts im Sinne des humanitären Völkerrechts, die von jenem Recht erfasst werden, sind von diesem Übereinkommen nicht erfasst; die Tätigkeiten, die Streitkräfte einer Vertragspartei in Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten ausüben, sind von diesem Übereinkommen ebenfalls nicht erfasst, soweit sie von anderen Regeln des Völkerrechts erfasst sind.
Art. 27
Änderungen des Übereinkommens
1) Jede Vertragspartei, das Ministerkomitee des Europarats oder die Konsultationsrunde der Vertragsparteien kann Änderungen dieses Übereinkommens vorschlagen.
2) Alle Änderungsvorschläge werden den Vertragsparteien vom Generalsekretär des Europarats übermittelt.
3) Jede von einer Vertragspartei oder vom Ministerkomitee vorgeschlagene Änderung wird ausserdem der Konsultationsrunde der Vertragsparteien übermittelt; diese legt dem Ministerkomitee ihre Stellungnahme zu dem Änderungsvorschlag vor.
4) Das Ministerkomitee prüft den Änderungsvorschlag und jede von der Konsultationsrunde der Vertragsparteien vorgelegte Stellungnahme und kann die Änderung genehmigen.
5) Der Wortlaut jeder vom Ministerkomitee nach Abs. 4 genehmigten Änderung wird den Vertragsparteien zur Annahme übermittelt.
6) Jede nach Abs. 4 genehmigte Änderung tritt am dreissigsten Tag nach dem Tag in Kraft, an dem alle Vertragsparteien dem Generalsekretär mitgeteilt haben, dass sie sie angenommen haben.
Art. 28
Überarbeitung des Anhangs
1) Zur Aktualisierung der Vertragsliste im Anhang kann jede Vertragspartei oder das Ministerkomitee Änderungen vorschlagen. Diese Änderungsvorschläge können nur Verträge mit universeller Geltung betreffen, die im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen geschlossen wurden, sich eigens mit dem internationalen Terrorismus befassen und in Kraft getreten sind. Die Änderungsvorschläge werden den Vertragsparteien vom Generalsekretär des Europarats übermittelt.
2) Das Ministerkomitee kann, nachdem es die Vertragsparteien, die nicht Mitglieder sind, konsultiert hat, einen Änderungsvorschlag mit der in Art. 20 Bst. d der Satzung des Europarats vorgesehenen Mehrheit beschliessen. Diese Änderung tritt nach Ablauf eines Zeitabschnitts von einem Jahr nach ihrer Übermittlung an die Vertragsparteien in Kraft. Während dieses Zeitabschnitts kann jede Vertragspartei dem Generalsekretär des Europarats einen Einspruch gegen das Inkrafttreten der Änderung für diese Vertragspartei notifizieren.
3) Notifiziert ein Drittel der Vertragsparteien dem Generalsekretär des Europarats einen Einspruch gegen das Inkrafttreten der Änderung, so tritt diese nicht in Kraft.
4) Notifiziert weniger als ein Drittel der Vertragsparteien einen Einspruch, so tritt die Änderung für die Vertragsparteien in Kraft, die keinen Einspruch notifiziert haben.
5) Ist eine Änderung nach Abs. 2 in Kraft getreten und hat eine Vertragspartei einen Einspruch gegen diese Änderung notifiziert, so tritt sie für diese Vertragspartei am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Tag folgt, an dem sie dem Generalsekretär des Europarats ihre Annahme notifiziert.
Art. 29
Beilegung von Streitigkeiten
Im Fall einer Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens bemühen sich die Vertragsparteien, die Streitigkeit durch Verhandlungen oder andere friedliche Mittel ihrer Wahl beizulegen, einschliesslich der Befassung eines Schiedsgerichts, das für die an der Streitigkeit beteiligten Vertragsparteien bindende Entscheidungen fällt, oder des Internationalen Gerichtshofs, je nach Vereinbarung der betroffenen Vertragsparteien.
Art. 30
Konsultationsrunde der Vertragsparteien
1) Die Vertragsparteien konsultieren einander in regelmässigen Abständen im Hinblick auf:
a) die Unterbreitung von Vorschlägen zur Erleichterung oder Verbesserung der wirksamen Anwendung und Durchführung dieses Übereinkommens, einschliesslich des Erkennens dabei etwa auftretender Probleme und der Folgen von Erklärungen, die nach diesem Übereinkommen abgegeben wurden;
b) die Ausarbeitung ihrer Stellungnahme zu der Frage, ob die Ablehnung eines Auslieferungsersuchens, das ihnen nach Art. 20 Abs. 8 unterbreitet wird, im Einklang mit diesem Übereinkommen steht;
c) die Unterbreitung von Vorschlägen zur Änderung dieses Übereinkommens nach Art. 27;
d) die Ausarbeitung ihrer Stellungnahme zu jedem Vorschlag zur Änderung dieses Übereinkommens, der ihnen nach Art. 27 Abs. 3 vorgelegt wird;
e) die Abgabe von Stellungnahmen zu Fragen, welche die Anwendung dieses Übereinkommens sowie die Erleichterung des Informationsaustauschs über wichtige rechtliche, politische oder technologische Entwicklungen betreffen.
2) Die Konsultationsrunde der Vertragsparteien wird vom Generalsekretär des Europarats einberufen, wann immer er dies für erforderlich erachtet und immer dann, wenn eine Mehrheit der Vertragsparteien oder das Ministerkomitee um ihre Einberufung ersucht.
3) Die Vertragsparteien werden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Artikel vom Sekretariat des Europarats unterstützt.
Art. 31
Kündigung
1) Jede Vertragspartei kann dieses Übereinkommen jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.
2) Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
Art. 32
Notifikation
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, der Europäischen Gemeinschaft, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung dieses Übereinkommens beteiligt haben, sowie jedem Staat, der diesem Übereinkommen beigetreten ist oder zum Beitritt zu ihm eingeladen worden ist:
a) jede Unterzeichnung;
b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach Art. 23;
d) jede nach Art. 1 Abs. 2, Art. 22 Abs. 4 und Art. 25 abgegebene Erklärung;
e) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Übereinkommen.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen zu Warschau am 16. Mai 2005 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats, der Europäischen Gemeinschaft, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt haben, und allen zum Beitritt zu ihm eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)
Anhang
1. Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen, unterzeichnet am 16. Dezember 1970 in Den Haag;
2. Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt, geschlossen am 23. September 1971 in Montreal;
3. Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschliesslich Diplomaten, angenommen am 14. Dezember 1973 in New York;
4. Internationales Übereinkommen gegen Geiselnahme, angenommen am 17. Dezember 1979 in New York;
5. Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial, angenommen am 3. März 1980 in Wien;
6. Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen, beschlossen am 24. Februar 1988 in Montreal;
7. Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt, beschlossen am 10. März 1988 in Rom;
8. Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden, beschlossen am 10. März 1988 in Rom;
9. Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge, angenommen am 15. Dezember 1997 in New York;
10. Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, angenommen am 9. Dezember 1999 in New York.
Geltungsbereich des Übereinkommens
am 1. März 2017
Vertragsparteien
Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde
Albanien
06.02.2007
Andorra*
06.05.2008
Armenien*
30.08.2016
Aserbaidschan*
04.04.2014
Bosnien und Herzegowina
11.01.2008
Bulgarien
31.07.2006
Dänemark*
24.04.2007
Deutschland
10.06.2011
Estland
15.05.2009
Finnland
17.01.2008
Frankreich
29.04.2008
Kroatien
21.01.2008
Lettland
02.02.2009
Liechtenstein
22.11.2016
Litauen
15.05.2014
Luxemburg
31.01.2013
Malta*
08.07.2015
Mazedonien
23.03.2010
Moldau*
13.05.2008
Monaco
15.04.2016
Montenegro
12.09.2008
Niederlande*
22.07.2010
Norwegen*
01.02.2010
Österreich
15.12.2009
Polen
03.04.2008
Portugal
19.08.2015
Rumänien
21.02.2007
Russland*
19.05.2006
Schweden*
30.08.2010
Serbien
14.04.2009
Slowakei
29.01.2007
Slowenien
18.12.2009
Spanien*
27.02.2009
Türkei*
23.03.2012
Ukraine*
21.12.2006
Ungarn*
21.03.2011
Zypern
23.01.2009
* Vorbehalte und Erklärungen
Die Vorbehalte und Erklärungen werden im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nicht veröffentlicht. Die Originaltexte sowie der aktualisierte Geltungsbereich des Übereinkommens können auf der Internetseite des Europarates: http://www.conventions.coe.int eingesehen oder beim Amt für Auswärtige Angelegenheiten bezogen werden.

1   Übersetzung des englischen Originaltextes.

2   Bericht und Antrag der Regierung Nr. 50/2016

3   heute Europäische Union

4   in FL: Möglichkeit der bedingten Einlassung