784.11 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 2019
|
Nr. 114
|
ausgegeben am 29. April 2019
|
Gesetz
vom 27. Februar 2019
über elektronische Signaturen und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen (Signatur- und Vertrauensdienstegesetz; SigVG)
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
1
I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Zweck
1) Dieses Gesetz dient der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (nachfolgend eIDAS-VO) (EWR-Rechtssammlung: Anh. XI - 5i.01), mit Ausnahme ihres Kapitels II.
2) Die jeweils geltende Fassung der in Abs. 1 genannten EWR-Rechtsvorschrift sowie der damit zusammenhängenden Durchführungsrechtsakte ergibt sich aus der Kundmachung der Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nach Art. 3 Bst. k des Kundmachungsgesetzes.
Art. 2
Begriffsbestimmungen und Bezeichnungen
1) Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
a) "VDA": ein Vertrauensdiensteanbieter nach Art. 3 Ziff. 19 eIDAS-VO;
b) "Signator": ein Unterzeichner nach Art. 3 Ziff. 9 eIDAS-VO;
c) "Bestätigungsstelle": eine nach Art. 30 Abs. 2 eIDAS-VO vom EWR-Mitgliedstaat der EU-Kommission zu benennende Stelle für die Zertifizierung der Konformität qualifizierter elektronischer Signatur- und Siegelerstellungseinheiten mit den Anforderungen des Anhangs II der eIDAS-VO;
d) "Kompromittierung": die Beeinträchtigung von Sicherheitsmassnahmen oder Sicherheitstechnik, sodass das vom Vertrauendiensteanbieter zugrunde gelegte Sicherheitsniveau nicht eingehalten ist.
2) Im Übrigen finden die Begriffsbestimmungen des Art. 3 eIDAS-VO ergänzend Anwendung.
3) Unter den in diesem Gesetz verwendeten Personen- und Funktionsbezeichnungen sind Angehörige des männlichen und weiblichen Geschlechts zu verstehen.
II. Elektronische Signaturen und elektronische Siegel
Art. 3
Rechtswirkungen
1) Eine qualifizierte elektronische Signatur erfüllt das rechtliche Erfordernis der Schriftlichkeit im Sinne des § 886 ABGB, sofern durch Gesetz oder Parteienvereinbarung nichts anderes bestimmt ist.
2) Letztwillige Verfügungen können in elektronischer Form nicht wirksam errichtet werden. Folgende Willenserklärungen können nur dann in elektronischer Form wirksam abgefasst werden, wenn das Dokument über die Erklärung die Bestätigung eines Gerichts oder eines Rechtsanwalts enthält, dass er den Signator über die Rechtsfolgen seiner Signatur aufgeklärt hat:
a) Willenserklärungen des Familien- und Erbrechts, die an die Schriftform oder ein strengeres Formerfordernis gebunden sind;
b) eine Bürgschaftserklärung (§ 1346 Abs. 2 ABGB), die von Personen ausserhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit abgegeben wird.
3) Die Bestimmung des § 294 ZPO über die Vermutung der Echtheit des Inhalts einer unterschriebenen Privaturkunde ist auf elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, anzuwenden.
4) Bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmern und Konsumenten sind Vertragsbestimmungen, nach denen eine qualifizierte elektronische Signatur nicht das rechtliche Erfordernis der Schriftlichkeit erfüllt, für Anzeigen oder Erklärungen, die vom Konsumenten dem Unternehmer oder einem Dritten abgegeben werden, nicht verbindlich, es sei denn, der Unternehmer beweist, dass die Vertragsbestimmungen im Einzelnen ausgehandelt worden sind oder mit dem Konsumenten eine andere vergleichbar einfach verwendbare Art der elektronischen Authentifizierung vereinbart wurde.
Art. 4
Pflichten von Signatoren und Siegelerstellern
1) Signatoren und Siegelersteller oder von ihnen dazu beauftragte qualifizierte VDA haben bei qualifizierten Signaturen ihre elektronischen Signaturerstellungsdaten oder bei qualifizierten Siegeln ihre elektronischen Siegelerstellungsdaten sorgfältig zu verwahren, soweit zumutbar Zugriffe von Dritten auf ihre elektronischen Signaturerstellungsdaten oder elektronischen Siegelerstellungsdaten zu verhindern und deren Weitergabe an Dritte zu unterlassen. Die Weitergabe von elektronischen Siegelerstellungsdaten an autorisierte Personen ist zulässig.
2) Signatoren oder Siegelersteller haben den Widerruf des qualifizierten Zertifikats zu verlangen, wenn die elektronischen Signaturerstellungsdaten oder die elektronischen Siegelerstellungsdaten abhandenkommen, wenn Anhaltspunkte für deren Kompromittierung bestehen oder wenn sich die im qualifizierten Zertifikat bescheinigten Umstände geändert haben.
Art. 5
Aussetzung
1) Sofern ein qualifizierter VDA ein qualifiziertes Zertifikat für eine elektronische Signatur oder ein elektronisches Siegel nicht widerruft, hat er dieses vorläufig auszusetzen, wenn:
a) der Signator, der Siegelersteller oder ein sonstiger dazu Berechtigter dies verlangt;
b) die Aufsichtsstelle (Art. 11) die Aussetzung des Zertifikats anordnet;
c) der qualifizierte VDA Kenntnis vom Ableben des Signators, der Beendigung des Bestehens des Siegelerstellers oder sonst von der Änderung im Zertifikat bescheinigter Umstände erlangt;
d) das Zertifikat aufgrund unrichtiger Angaben erwirkt wurde; oder
e) die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung des Zertifikats besteht.
2) Ein qualifizierter VDA hat bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Umstände die Aussetzung zeitnah und in jedem Fall innerhalb von 24 Stunden nach Erhalt des Ersuchens vorzunehmen.
3) Ist ein qualifiziertes Zertifikat für elektronische Signaturen oder elektronische Siegel vorläufig ausgesetzt worden, so verliert dieses Zertifikat, solange der Status der Aussetzung nach Abs. 4 veröffentlicht ist, seine Gültigkeit. Dieser Zeitraum darf zwei Wochen nicht überschreiten.
4) Ein qualifizierter VDA hat die Dauer der Aussetzung in seiner Zertifikatsdatenbank nach Art. 24 Abs. 2 Bst. k eIDAS-VO zu registrieren und den Status der Aussetzung während der Dauer der Aussetzung elektronisch jederzeit allgemein zugänglich zu veröffentlichen.
Art. 6
Bestätigungsstelle
1) Die Konformität qualifizierter elektronischer Signatur- und Siegelerstellungseinheiten mit den Anforderungen des Anhangs II der eIDAS-VO wird durch eine Bestätigungsstelle oder eine in einem anderen EWR-Mitgliedstaat nach Art. 30 Abs. 1 eIDAS-VO benannte Stelle zertifiziert. Sofern eine Zertifizierung nach Art. 30 Abs. 3 Bst. b eIDAS-VO vorgenommen wird, ist die Gleichwertigkeit des Sicherheitsniveaus von der Bestätigungsstelle oder benannten Stelle nach dem Stand der Technik zu beurteilen.
2) Eine Einrichtung ist zur Wahrnehmung der einer Bestätigungsstelle zugewiesenen Aufgaben geeignet, wenn sie:
a) die erforderliche Zuverlässigkeit aufweist;
b) zuverlässiges Personal mit den für diese Aufgaben erforderlichen Fachkenntnissen, Erfahrungen und Qualifikationen, insbesondere mit Kenntnissen über elektronische Signaturen, angemessene Sicherheitsverfahren, Kryptographie, Kommunikations- und Chipkartentechnologien sowie die technische Begutachtung solcher Komponenten, beschäftigt;
c) über ausreichende technische Einrichtungen und Mittel sowie eine ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt;
d) die erforderliche Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Unbefangenheit sicherstellt; und
e) die von der Europäischen Kommission nach Art. 30 Abs. 4 eIDAS-VO erlassenen besonderen Kriterien erfüllt.
3) Die Regierung stellt auf Antrag mit Verfügung fest, dass eine Einrichtung als Bestätigungsstelle geeignet ist. Die Eignung kann nur festgestellt werden, wenn die Einrichtung nach ihren Statuten oder Satzungen oder nach ihrem Gesellschaftsvertrag, nach ihrer Organisation und nach ihrem Sicherheits- und Finanzierungskonzept die in Abs. 2 genannten Anforderungen erfüllt.
4) Eine Bestätigungsstelle kann zur Erfüllung der ihr nach Abs. 1 zugewiesenen Aufgaben von anderen Einrichtungen Prüfberichte zu technischen Komponenten und Verfahren einholen oder vom VDA vorgelegte Prüfberichte bei der Evaluierung berücksichtigen. Die Prüfungen und Bescheinigungen sind zu dokumentieren. Im Fall der Einstellung der Tätigkeit der Bestätigungsstelle ist die Dokumentation an die Aufsichtsstelle zu übergeben.
5) Die organisatorische Aufsicht über die Bestätigungsstelle obliegt der Aufsichtsstelle (Art. 13).
6) Die Aufsichtsstelle hat die Notifizierung nach Art. 31 Abs. 1 eIDAS-VO durchzuführen.
7) Die Regierung regelt das Nähere über das Verfahren sowie die Kriterien hinsichtlich der Eignung einer Bestätigungsstelle mit Verordnung.
III. Vertrauensdiensteanbieter
Art. 7
Ausstellung qualifizierter Zertifikate für einen Vertrauensdienst
1) Die Mitteilung über die Absicht, qualifizierte Vertrauensdienste zu erbringen, hat in elektronischer Form an die Aufsichtsstelle zu erfolgen. Soweit spezielle Inhalte der Anzeige nicht ein anderes Format erfordern, ist ein Format, das dem aktuellen Stand der Technik entspricht, zu verwenden. Die Mitteilung hat zumindest mit der (fortgeschrittenen) elektronischen Signatur des VDA versehen zu sein.
2) Ein qualifizierter VDA oder eine in seinem Auftrag tätige Stelle hat die Identität von persönlich anwesenden natürlichen Personen oder Vertretern einer juristischen Person, denen ein qualifiziertes Zertifikat ausgestellt werden soll, anhand eines amtlichen Lichtbildausweises oder durch einen anderen in seiner Zuverlässigkeit gleichwertigen, dokumentierten oder zu dokumentierenden Nachweis festzustellen (Art. 24 Abs. 1 Bst. a eIDAS-VO). Vertreter von juristischen Personen haben darüber hinaus einen Nachweis über das Bestehen der Vertretungsbefugnis vorzulegen.
3) Erfolgt die Ausstellung nicht in persönlicher Anwesenheit, können auch sonstige Identifizierungsmethoden, die eine gleichwertige Sicherheit hinsichtlich der Verlässlichkeit bei der persönlichen Anwesenheit bieten, angewendet werden (Art. 24 Abs. 1 Bst. d eIDAS-VO). Dabei ist insbesondere auf eine erfolgte Identifizierung anhand eines Nachweises im Sinne von Abs. 2, die von einer vertrauenswürdigen Stelle durchgeführt wurde, zurückzugreifen.
4) Die Regierung kann das Nähere über die Mitteilung, die Identifizierungsmethoden und die einzuhaltenden Verfahren mit Verordnung regeln.
Art. 8
Beendigungsplan und Vertrauensinfrastruktur
1) Ein qualifizierter VDA hat der Aufsichtsstelle zumindest drei Wochen im Vorhinein die geplante Einstellung seiner Tätigkeit anzuzeigen.
2) Sofern der qualifizierte VDA qualifizierte Zertifikate ausstellt, hat er die im Zeitpunkt der Einstellung seiner Tätigkeit gültigen qualifizierten Zertifikate zu widerrufen oder dafür Sorge zu tragen, dass zumindest seine Zertifikatsdatenbank von einem anderen qualifizierten VDA übernommen wird. Auch im Fall des Widerrufs der qualifizierten Zertifikate hat der qualifizierte VDA sicherzustellen, dass die Zertifikatsdatenbank weitergeführt wird; kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat die Aufsichtsstelle als Teil ihrer Vertrauensinfrastruktur (Art. 11 Abs. 4 Bst. c) für die Weiterführung der Zertifikatsdatenbank auf Kosten des qualifizierten VDA Sorge zu tragen.
3) Die Regierung entscheidet über Antrag der Aufsichtsstelle unter Einbezug des qualifizierten VDA, ob an der Weiterführung der Zertifikatsdatenbank ein öffentliches Interesse besteht. Liegt ein solches vor, kann die Regierung die Aufsichtsstelle beauftragen, für deren Weiterführung Sorge zu tragen. Der qualifizierte VDA hat zu diesem Zweck der Aufsichtsstelle alle notwendigen Mittel und Informationen zu übergeben.
4) Die Signatoren und Siegelersteller sind von der Einstellung der Tätigkeit sowie vom Widerruf, der Übernahme oder der Weiterführung unverzüglich zu verständigen.
Art. 9
Datenschutz, Zugangsrechte und Aufbewahrungsdauer
1) Ein VDA sowie die in seinem Auftrag tätigen Registrierungsstellen dürfen nur jene personenbezogenen Daten und jene Daten von juristischen Personen verarbeiten, die zur Durchführung der erbrachten Dienste erforderlich sind. Unbeschadet anderer Rechtsgrundlagen dürfen VDA solche Daten auch bei Dritten erheben und verarbeiten, soweit dies für die Erbringung, einschliesslich Prüfung und Sicherstellung der rechtlichen Gültigkeit, des jeweiligen Vertrauensdienstes erforderlich oder für die Überprüfung der Identität eines Zertifikatswerbers dienlich ist.
2) Auf Ersuchen von Gerichten oder anderen zuständigen Behörden hat ein qualifizierter VDA nach Massgabe der hierfür geltenden Bestimmungen Zugang zur Dokumentation nach Art. 24 Abs. 2 Bst. h eIDAS-VO und seiner Zertifikatsdatenbank zu gewähren.
3) Bei Verwendung eines Pseudonyms in einem Zertifikat hat der VDA die personenbezogenen Daten über die Identität des Signators auf Ersuchen zu übermitteln und die Übermittlung zu dokumentieren:
a) an die zuständigen Behörden, sofern dies zum Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere zur Aufklärung oder Verfolgung von strafbaren Handlungen, oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit einschliesslich der Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen erforderlich ist oder von einem Gericht angeordnet wird; die ersuchende Stelle hat den Signator über die Aufdeckung des Pseudonyms zu unterrichten, sobald dadurch die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben nicht mehr beeinträchtigt wird, oder wenn das Interesse des Signators an der Unterrichtung überwiegt; oder
b) an einen Dritten, sofern dieser an der Feststellung der Identität ein überwiegendes berechtigtes Interesse glaubhaft macht; in diesem Fall hat der VDA den Signator über die Aufdeckung des Pseudonyms unverzüglich zu unterrichten.
4) Die Dokumentation ist vom qualifizierten VDA 30 Jahre, gerechnet ab dem im qualifizierten Zertifikat eingetragenen Ende der Gültigkeit oder, mangels eines solchen, 30 Jahre ab dem Zeitpunkt des Anfallens von einschlägigen Informationen über die von dem qualifizierten VDA im Rahmen seiner Tätigkeit ausgegebenen und empfangenen Daten, aufzubewahren.
5) Die Bestimmungen der Datenschutzgesetzgebung bleiben vorbehalten.
Art. 10
Haftung
1) Die Haftung eines VDA nach Art. 13 Abs. 1 eIDAS-VO kann im Vorhinein weder ausgeschlossen noch beschränkt werden; vorbehalten bleibt Art. 13 Abs. 2 eIDAS-VO.
2) Umfang und Ausmass des nach Art. 13 eIDAS-VO zu ersetzenden Schadens sowie allfällige Rückgriffsrechte gegenüber anderen Personen richten sich nach den auf den Schadensfall sonst anwendbaren Bestimmungen.
3) Ersatzansprüche gegenüber anderen Personen oder aus einem anderen Rechtsgrund bleiben unberührt.
Art. 11
Aufsichtsstelle
1) Aufsichtsstelle nach Art. 17 eIDAS-VO ist das Amt für Kommunikation.
2) Die Aufsichtsstelle hat den VDA für ihre Tätigkeit eine mit Verordnung festgelegte kostendeckende Gebühr vorzuschreiben. Kosten und Auslagen, die der Aufsichtsstelle von Dritten, deren sie sich zur Beratung oder zur Durchführung der Aufsicht bedient, in Rechnung gestellt werden, hebt sie bei dem betreffenden VDA ein.
3) Die Aufsichtsstelle kann sich zur Beratung geeigneter Personen oder Einrichtungen wie etwa einer Bestätigungsstelle (Art. 6) bedienen.
4) Die Aufsichtsstelle kann sich zudem zur Durchführung der Aufsicht oder der folgenden Aufgaben geeigneter Einrichtungen bedienen und diese Aufgaben auch an solche Einrichtungen übertragen:
a) Erstellung, Führung und Veröffentlichung der Vertrauensliste nach Art. 22 eIDAS-VO. Nichtqualifizierte VDA und die von ihnen erbrachten Vertrauensdienste sind auf Antrag in die Vertrauensliste aufzunehmen;
b) zur Verfügung stellen eines kostenfreien technischen Services im öffentlichen Interesse, mit dem qualifizierte elektronische Signaturen oder qualifizierte elektronische Siegel validiert werden können;
c) Einrichtung und Betrieb einer Vertrauensinfrastruktur nach Art. 8.
5) Die Aufsichtsstelle ist in ihrer Entscheidungs- und Verfügungsgewalt an keine Weisungen gebunden. Sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, finden auf das Verfahren die Bestimmungen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege Anwendung.
Art. 12
Durchführung der Aufsicht
1) Die VDA haben den im Auftrag der Aufsichtsstelle handelnden Personen das Betreten der Geschäfts- und Betriebsräume während den Geschäftszeiten zu gestatten, die in Betracht kommenden Bücher und sonstigen Aufzeichnungen oder Unterlagen einschliesslich der einschlägigen Informationen nach Art. 24 Abs. 2 Bst. h eIDAS-VO vorzulegen oder zur Einsicht bereitzuhalten, Auskünfte zu erteilen und jede sonst erforderliche Unterstützung zu gewähren. Bestehende gesetzliche Verschwiegenheits- und Aussageverweigerungsrechte bleiben unberührt.
2) Die Landespolizei hat der Aufsichtsstelle und den in ihrem Auftrag handelnden Personen über deren Ersuchen zur Durchführung der Aufsicht im Rahmen ihres gesetzmässigen Wirkungsbereichs Hilfe zu leisten.
3) Die Durchführung der Aufsicht nach Abs. 1 und 2 ist unter möglichster Schonung der Betroffenen und ohne unnötiges Aufsehen so durchzuführen, dass dadurch die Sicherheit der Vertrauensdienste nicht verletzt wird.
V. Anerkennung ausländischer Zertifikate und elektronischer Signaturen
Art. 13
Anerkennung
Qualifizierte Vertrauensdienste, die auf einem in einem anderen EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz ausgestellten qualifizierten Zertifikat beruhen, werden in Liechtenstein als qualifizierte Vertrauensdienste im Sinn der eIDAS-VO anerkannt.
Art. 14
Beschwerde
1) Gegen Entscheidungen oder Verfügungen der Aufsichtsstelle kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde bei der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten erhoben werden.
2) Gegen Entscheidungen oder Verfügungen der Regierung oder der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
3) Die Überprüfungsbefugnis der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten sowie des Verwaltungsgerichtshofes beschränkt sich auf Rechts- und Sachfragen. Die Ausübung des Ermessens wird ausschliesslich rechtlich überprüft.
4) Ist in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt, finden auf das Verfahren die Bestimmungen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege Anwendung.
Art. 15
Übertretungen
1) Von der Aufsichtsstelle wird wegen Übertretung mit Busse bis zu 10 000 Franken bestraft, wer fremde Signatur- oder Siegelerstellungsdaten ohne Wissen und Willen des Signators oder des Siegelerstellers missbräuchlich verwendet.
2) Von der Aufsichtsstelle wird wegen Übertretung mit Busse bis zu 15 000 Franken bestraft, wer als VDA:
a) seine Pflichten nach Art. 24 Abs. 3 eIDAS-VO oder Art. 5 dieses Gesetzes verletzt;
b) entgegen Art. 24 Abs. 2 Bst. d eIDAS-VO Personen, die einen qualifizierten Vertrauensdienst nutzen wollen, nicht unterrichtet; oder
c) entgegen Art. 12 Abs. 1 nicht Einsicht in die dort genannten Bücher, sonstige Aufzeichnungen oder Unterlagen gewährt oder nicht die notwendigen Auskünfte erteilt.
3) Von der Aufsichtsstelle wird wegen Übertretung mit Busse bis zu 25 000 Franken bestraft, wer als VDA:
a) vorgibt qualifizierte Vertrauensdienste zu erbringen, ohne dazu berechtigt zu sein (Art. 3 Ziff. 20 eIDAS-VO);
b) entgegen Art. 19 Abs. 1 eIDAS-VO keine geeigneten technischen und organisatorischen Massnahmen zur Beherrschung der Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit den von ihm erbrachten Vertrauensdiensten ergreift;
c) entgegen Art. 24 Abs. 2 Bst. h eIDAS-VO iVm Art. 8 und 9 dieses Gesetzes seine Dokumentationspflicht verletzt; oder
d) gegen die Vorgaben des Art. 24 Abs. 1 eIDAS-VO iVm Art. 7 dieses Gesetzes, Art. 24 Abs. 2 Bst. a, b, c, e, f, g, i und k oder Abs. 4 eIDAS-VO verstösst.
4) Von der Aufsichtsstelle wird wegen Übertretung mit Busse bis zu 15 000 Franken oder, sofern es sich um einen qualifizierten VDA handelt, mit Busse bis zu 45 000 Franken bestraft, wenn der VDA entgegen Art. 19 Abs. 2 eIDAS-VO nicht unverzüglich der Aufsichtsstelle alle Sicherheitsverletzungen oder Integritätsverluste, die sich erheblich auf den erbrachten Vertrauensdienst oder die darin vorhandenen personenbezogenen Daten auswirken, meldet.
5) Bei fahrlässiger Begehung wird die Strafobergrenze auf die Hälfte herabgesetzt.
6) Eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 bis 4 liegt nicht vor, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.
7) Die zur Begehung einer Verwaltungsübertretung verwendeten oder bestimmten Gegenstände können eingezogen werden.
Art. 16
Verantwortlichkeit
Werden Widerhandlungen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person, einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder einer Einzelfirma begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma für die Bussen und Kosten.
VIII. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 17
Durchführungsverordnungen
Die Regierung erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Verordnungen, insbesondere über:
a) die Festsetzung von Gebühren für die Leistungen der Aufsichtsstelle und der von ihr benannten Einrichtungen, sowie die Vorschreibung dieser Gebühren;
b) die besonderen Anforderungen an qualifizierte VDAs und seines Personals;
c) nähere Anforderungen an die einzureichende Mitteilung von VDA, qualifizierte Zertifikate und den Antrag auf deren Ausstellung;
d) nähere Anforderungen an die Zertifikatsdatenbank und deren Weiterführung durch die Aufsichtsstelle; und
e) die Einzelheiten des Verfahrens sowie der Kriterien hinsichtlich der Eignung einer Einrichtung als Bestätigungsstelle.
Art. 18
Übergangsbestimmungen
1) Qualifizierte Zertifikate, die nach dem bisherigen Recht für natürliche Personen ausgestellt worden sind, gelten als qualifizierte Zertifikate im Sinne von Art. 51 Abs. 2 eIDAS-VO.
2) Nichtqualifizierte Zertifikate im Sinne des bisherigen Rechts gelten bis zu ihrem Ablauf als nichtqualifizierte Zertifikate:
a) für elektronische Signaturen nach Art. 3 Ziff. 14 eIDAS-VO, sofern es sich bei dem Zertifikatsinhaber um eine natürliche Person handelt; oder
b) für elektronische Siegel nach Art. 3 Ziff. 29 eIDAS-VO, sofern es sich beim Zertifikatsinhaber um eine juristische Person handelt.
Art. 19
Aufhebung bisherigen Rechts
Das Gesetz vom 18. September 2003 über elektronische Signaturen (Signaturgesetz; SigG), LGBl. 2003 Nr. 215, in der geltenden Fassung, wird aufgehoben.
Art. 20
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 in Kraft
2, frühestens jedoch am 1. Juli 2019.
In Stellvertretung des Landesfürsten:
gez. Alois
Erbprinz
gez. Adrian Hasler
Fürstlicher Regierungschef
1
Bericht und Antrag sowie Stellungnahme der Regierung Nr.
106/2018 und
9/2019
2
Inkrafttreten: 1. Juni 2019 (
LGBl. 2019 Nr. 148).